Johann Theobald Blasius (um 1545/50 – nach März 1583)

From Theatrum Paracelsicum
Johann Theobald Blasius (um 1545/50 – nach März 1583).
auch: Joannes Theobaldus
B. wurde vermutlich um 1545/50 in Straßburg geboren. Am 18. Mai 1560 wurde er gemeinsam mit dem Straßburger Johann Zacharias Lenglin an der Universität Heidelberg immatrikuliert, wobei vermerkt wurde: «fidem tantum dedit propter aetatem», was darauf hindeutet, dass er noch minderjährig war. Spätestens im Januar 1574 wurde B. durch Graf Raphael von Lissa (Rafał Leszczyński, 1526--1592) zum Rektor einer neugegründeten Schule für junge Adlige in Lissa berufen. Ende des Jahres 1574 war B. sehr unzufrieden mit seiner Stelle an der Schule und dachte über einen Wechsel nach; das Angebot, ins Lubliner Land zu wechseln, nahm er jedoch nicht an. Ein weiteres Angebot, dieses Mal von Stanislaus von Gorka (Stanisław Górka, 1538--592), dem Woiwode von Posen, nahm B. ebenfalls nicht an, sondern zog am November 1577 nach Krakau, wo er für kurze Zeit als Agent von ↗ Leonhard Thurneisser tätig war und dann offenbar als Arzt praktizierte. Von 1579 bis 1581 lebte er in Siebenbürgen, um 1581 wieder nach Krakau zurückzukehren. Er starb nach dem 1. März 1583.
B. war gut bekannt mit ↗ Johann Huser; er wechselte mit ihm Briefe und besuchte ihn mehrmals in Glogau. Wohl aufgrund seiner Bekanntschaft mit dem Pfarrer und Schulinspektor ↗ Franz Rosentritt in Lissa entwickelte B. alchemistische Interessen. Seit 1574 stand Blasius in regelmäßigen Briefaustausch mit ↗ Leonhard Thurneisser, aus der sich auch eine enge persönliche Beziehung entwickelte. B. reiste mehrmals nach Berlin, um Thurneisser zu treffen; später wirkte er als Thurneissers Agent in Krakau und bot sich an, dessen Kalender zu übersetzen. Ein weiterer Vertrauter war der Adlige ↗ Stanisław Bojanowski, der von B. mehrmals auf dessen Erbsitz in Bohn (Alt-Boyen, Stare Bojanowo) besucht und mit Leonhard Thurneisser bekannt gemacht wurde. Neben anderen Antitrinitariern war B. auch mit ↗ Andreas Dudith bekannt, der 1581 einen Brief an B. richtete.
Bei dem von Wotschke mit B. identifizierten Johannes Thebaldus/Theobaldus aus Straßburg, der 1569 in Leipzig und 1575 in Leipzig immatrikuliert wurde, dürfte es sich um eine andere Person handeln.
Julian Paulus
Veröffentlichungen: B. veröffentlichte 1570 eine «Oratio de omnium gloriosissima Christi ex morte resurgentis victoria» (in: Orationes duae argumenti pulcerrimi, Leipzig: Hans Rambau 1570; VD16 ZV 12861) und anonym 1578 eine kleine Schrift über drei deformiert geborene Kinder (Prawdziwe wyobrażenie Troyga dzieći barzo strasznych, ktorym podobne nie wiem aby kiedy były widziane na świećie, [Krákow, 1578]), die neben dem niederländischen Arzt Cornelius Gemma auch Paracelsus zitiert. Zudem war B. übersetzerisch tätig: nach Wotschke übersetzte er 1574 den Katechismus der Unitarier ins Deutsche, außerdem Werke des Theologen Johannes Lasitius (Der Dantziger Niderlag, Königsberg 1578; Übersetzung anonym und ↗ Leonhard Thurneisser gewidmet) und des Historikers Leonhard Gorecki (Walachischen Kriegs oder Geschichten warhaffte Beschreibung, Basel: Sebastian Henricpetri 1578; Übersetzer war laut Titelblatt jedoch nicht Blasius, sondern Nicolaus Höniger). Aus dem Deutschen ins Lateinische übersetzte B. nach Wotschke Kalender von Leonhard Thurneisser und nach Telle 1574 ein astrologisches «Judicium», das offenbar Texte des Paracelsus enthielt.
Literatur:
Theodor Wotschke: Johann Theobald Blasius: Ein Lissaer Rektor des 16. Jahrhunderts, in: Deutsche Wissenschaftliche Zeitschrift für Polen 6 (1925), p. 1-30, esp. p. 12, 12 (online, free)
Joachim Telle: Johann Huser in seinen Briefen: Zum schlesischen Paracelsismus im 16. Jahrhundert, in: Parerga Paracelsica: Paracelsus in Vergangenheit und Gegenwart, ed. by Joachim Telle (Heidelberger Studien zur Naturkunde der frühen Neuzeit, 3), Stuttgart: Franz Steiner 1991, p. 159-248, esp. p. 202-203
Johann Franz Albert Gillet: Crato von Crafftheim und seine Freunde: Ein Beitrag zur Kirchengeschichte, vol. 2, Frankfurt am Main: H. L. Brönner 1861, esp. p. 538-539 (Google Books (2) (3)). – Andreas Dudith an Blasius, 20. August 1581.
Weitere Literatur:
Theodor Wotschke: Johann Lasitius: Ein Beitrag zur Kirchen- und Gelehrtengeschichte des 16. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für slavische Philologie 2, n° 1/2 (1925), p. 77-104; n° 3/4, p. 442-471, esp. p. 446 (jstor (2), not free)
Bołeslav Hryniewiecki: Anton Schneeberger (1530–-1581), ein Schüler Konrad Gesners in Polen (Veröffentlichungen des Geobotanischen Instituts Rübel in Zürich, 13), Bern: Hans Huber 1938, esp. p. 58
Włodzimierz Hubicki: Chemie und Alchemie des 16. Jahrhunderts in Polen, in: Annales Universitatis Mariae Curie-Skłodowska, Sectio AA 10, n° 7 (1955), p. 61-100, plates 1-15, esp. p. 78, 79 (online). – marginal.
Stanisław Tync: Szkoła w Lesznie w okresie Renesansu (1555–1656), in: Sesja naukowa w Lesznie w czterechsetna̧ rocznicȩ powstania Gimnazjum i w trzechsetna̧ wydania "Opera didactica omnia" J.A. Komeńskiego, ed. by Łukasz Kurdybacha, Wrocław: Zakład Narodowy im. Ossolińskich 1957, p. 17-56, esp. p. 25-26 (Google Books)
Włodzimierz Hubicki: Paracelsists in Poland, in: Science, Medicine and Society in the Renaissance, ed. by Allen G. Debus, New York 1972, p. 167-175, esp. p. 173
Massimo Firpo: Antitrinitari nell’Europa orientale del ’500: Nuovi testi di Szymon Budny, Niccolò Paruta e Iacopo Paleologo 1977, esp. p. 43 (Google Books). – marginal.
Pablo Toribio: Introduction: A Deserter of Christianity, in: Bruniana & Campanelliana 25, n° 1, p. 29-32 (jstor). – Beziehung zu Dudith und Martin Seidel. (A)

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Normdaten
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Brief-Datenbanken
Frühneuzeitliche Ärztebriefe des deutschsprachigen Raums (1500-1700): 00008166

Kühlmann/Telle, Corpus Paracelsisticum 2 (2004): 438

Telle, ‘Johann Huser in seinen Briefen’, in Parerga Paracelsica (1991), 202-203 (Biogramm)