Difference between revisions of "Biographies/Adam Haslmayr"

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| DEArticleName=Adam Haslmayr


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| DEArticleOccupation=Musiker, kaiserlicher Notarius, Paracelsist, Alchemist


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| DEArticleVitals=um 1560/65-1630


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| DEArticleFamily=Haslmayr war verheiratet und hatte mindestens zwei Söhne: Adam (gest. 1665) und Ammandus (nachgewiesen 1615 bis 1662 in Hall).


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| DEArticleVita=Haslmayr wurde um 1560/65 in Bozen geboren. Von 1588 bis 1603 war er als Pfarrschulmeister, Organist und kaiserlicher Notarius in Bozen tätig. 1592 veröffentlichte er eigene Kompositionen (''Newe Teütsche Gesang'' für fünf Stimmen, Augsburg: Valentin Schönigk 1592; fehlt VD16). 1593 wurde er mit Wappenbrief in den Adelsstand erhoben. Ab Mitte der 1590er Jahre begann Haslmayr, sich unter dem Einfluss von {{BioLink|Lorenz Lutz}} mit Paracelsus zu beschäftigten. 1602 wurde er vom Bozener Rat aufgefordert, sich von den Lehren des Paracelsus zu distanzieren, 1603 schickte er einen Brief und einen paracelsistischen Traktat an den neuen Landesherrn Erzherzog Maximilian von Tirol. Dieser ließ seinen Hofpreder Anton Khlesl die Schrift begutachten, worauf Haslmayr nach Innsbruck vorgeladen und befragt wurde. Seine Bibliothek wurde anschließend konfisziert und teilweise verbrannt, und er verlor 1603 seine Stellung als Schulmeister. </br> 1605 zog Haslmayr nach Schwaz um und hatte dort Kontakt mit zahlreichen Paracelsisten und Alchemisten. Fünf Jahre später zog er 1610 nach Heiligkreuz (bei Hall in Tirol) und pflegte dort nähere Bekanntschaft mit dem Haller Bürgermeister {{BioLink|Christoph Örber}}, der die Interessen Haslmayrs teilte. Nach längerer Unterbrechung suchte 1610 Haslmayr auch erneut Kontakt mit Erzherzog Maximilian, in den er offenbar große Hoffnungen setzte. Zur gleichen Zeit entwickelte sich eine erbitterte Feindschaft zwischen Haslmayr und dem Arzt Hippolytus Guarinonius, der in seinem Werk ''Die Grewel der Verwüstung Menschlichen Geschlechtes'' (Ingolstadt: Andreas Angermayr 1610) scharfe Kritik an Paracelsus übte. Haslmayr verfasste einen Angriff auf Guarinonius; auf Betreiben von Guarinonius wurde Haslmayr dann 1611 erneut nach Innsbruck vorgeladen. Da zur gleichen Zeit in der Gegend von Schwaz die Pest ausbrach, sollte Haslmayr schließlich doch nicht anreisen, sondern schriftlich Stellung beziehen. Das Verfahren wurde offenbar eingestellt und stattdessen Hippolytus Guarinonius, der Bergwerksarzt von Schwaz, seines Amtes enthoben. </br>
1611 im Juli Zusammentreffen mit Widemann in Augsburg, den er Anfang des Jahres über Figulus kennengelernt hatte.
1612 Haslmayr verfasst seine "Antwort an die Lobwürdige Brüderschafft der Theosophen von RosenCreutz" und schickt sie an August von Anhalt
1612 Guarinoni schickt eine Reihen von Beschwerden über Haslmayr an die Landesregierung, insbesondere mit dem Vorwurf, das Haslmayr die Beichte verweigert.
1612 Über Augsburg und Linz reist Haslmayr nach Wien, um Erzherzog Maximilian persönlich eine Verteidigungsschrift zu überbringen.
1612 Erzherzog Maximilian entschließt sich, Galeerenhaft für Haslmayr anzuordnen und verfügt diese in einer geheimen Anordnung an die Behörden in Innsbruck. Unmittelbar nach seiner Rückkehr von Wien nach Innsbruck wird Haslmayr verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Seine Bücher und Schriften werden beschlagnahmt.
1612-1617 Ende des Jahres befindet sich Haslmayr bereits auf einer Galeere vor Genua; die Galeerenhaft dauert 4 1/2 Jahre, bis er im Februar 1617 begnadigt und wohl einige Monate später entlassen wird.
nach Ende der Haft hält sich Haslmayr unter anderem bei Widemann zuhause in Augsburg auf, so im April 1618. Über weitere Aufenthaltsorte ist nichts bekannt.
Anfang 1630 ist Haslmayr noch am Leben, aber schwer krank, als Widemann ihn besucht. Danach verlieren sich seine Spuren.


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| DEArticleParacelsianism=Bekanntschaft mit Lorenz Lutz Anfang der 1590er Jahre
ab 1594 Beschäftigung mit Paracelsus und Paracelsismus


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| DEArticleNetwork=Kontakte in Schwaz: Gilly, 33


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| Paulus1994=360-361$'''Vita'''. Geboren um 1560 in Bozen, gestorben nach 1630. </br> Adam Haslmayr war zunächst als Lateinschulmeister und Kirchenmusiker in Bozen tätig, nahm jedoch mehr und mehr eine ablehnende Haltung zur katholischen Kirche ein, was zu schweren Konflikten mit der Obrigkeit führte. Nicht zuletzt von alchemischen Interessen geleitet, begann er Handschriften mit paracelsischen und pseudoparacelsischen Texten zu sammeln, unter denen sich auch theologische Werke Paracelsus’ befanden. Mit einem (nicht mehr erhaltenen) Traktat wandte sich Haslmayr 1603 an den Regenten von Tirol, Erzherzog Maximilian, was sich als Fehler herausstellte: Fortan war Haslmayr Verfolgungen ausgesetzt, weil – so der Vorwurf – in dem Traktat „allerlay Theophrastische und Paracelsische, der catholischen, allain wahren Religion ganz widerige opiniones et errores begriffen“ gewesen seien. Bei Haslmayr wurden „verdechtige Büecher“ festgestellt und zum Teil beschlagnahmt; außerdem wurde er seines Amtes als Schulmeister enthoben. </br> 1605 begab sich Haslmayr nach Schwaz und wurde im Bergwerkswesen tätig; 1610 zog er nach Heiligkreuz. Hier fand er Unterstützung durch den Bürgermeister der nahegelegenen Stadt Hall, Christoph Örber. Ein Streit mit dem Haller Stadtarzt Hippolyt Guarinoni führte erneut zum Vorwurf ketzerischer Ansichten; am 21. August 1612 wurde er verhaftet und am 15. Oktober zu fünf Jahren Haft auf einer Galeere vor Genua verurteilt. Vergebens waren die Gesuche von Haslmayrs Frau und die Fürsprache von Fürst August von Anhalt; erst im Mai 1617 kam er wieder frei. Haslmayr stand mit Widemann noch bis 1630 in Verbindung und vermittelte ihm regelmäßig Texte.
| Paulus1994=360-361$'''Vita'''. Geboren um 1560 in Bozen, gestorben nach 1630. </br> Adam Haslmayr war zunächst als Lateinschulmeister und Kirchenmusiker in Bozen tätig, nahm jedoch mehr und mehr eine ablehnende Haltung zur katholischen Kirche ein, was zu schweren Konflikten mit der Obrigkeit führte. Nicht zuletzt von alchemischen Interessen geleitet, begann er Handschriften mit paracelsischen und pseudoparacelsischen Texten zu sammeln, unter denen sich auch theologische Werke Paracelsus’ befanden. Mit einem (nicht mehr erhaltenen) Traktat wandte sich Haslmayr 1603 an den Regenten von Tirol, Erzherzog Maximilian, was sich als Fehler herausstellte: Fortan war Haslmayr Verfolgungen ausgesetzt, weil – so der Vorwurf – in dem Traktat „allerlay Theophrastische und Paracelsische, der catholischen, allain wahren Religion ganz widerige opiniones et errores begriffen“ gewesen seien. Bei Haslmayr wurden „verdechtige Büecher“ festgestellt und zum Teil beschlagnahmt; außerdem wurde er seines Amtes als Schulmeister enthoben. </br> 1605 begab sich Haslmayr nach Schwaz und wurde im Bergwerkswesen tätig; 1610 zog er nach Heiligkreuz. Hier fand er Unterstützung durch den Bürgermeister der nahegelegenen Stadt Hall, Christoph Örber. Ein Streit mit dem Haller Stadtarzt Hippolyt Guarinoni führte erneut zum Vorwurf ketzerischer Ansichten; am 21. August 1612 wurde er verhaftet und am 15. Oktober zu fünf Jahren Haft auf einer Galeere vor Genua verurteilt. Vergebens waren die Gesuche von Haslmayrs Frau und die Fürsprache von Fürst August von Anhalt; erst im Mai 1617 kam er wieder frei. Haslmayr stand mit Widemann noch bis 1630 in Verbindung und vermittelte ihm regelmäßig Texte.
| VL16=Nach Besuch der Bozner Lateinschule und Musikunterricht, erfolgt seit 1567 bei dem Domorganisten Andreas André (Casletanus) in Brixen, lebte H. als Lateinlehrer in St. Paul/Oberetsch, seit 1587 dann in Bozen, wo er den Schuldienst mit Tätigkeiten als Organist und seit 1588 als Chorregent an der Hauptpfarre sowie als Notarius Caesareus verband. Spätestens seit 1586 war er mit Anna verheiratet († 1615, Geburtsname unbekannt); unter seinen Kindern ragt Adam (um 1587−1665) hervor, ein nachmals in Wattens/Tirol Wattens/Tirol tätiger Alchemiker. </br> Aufgrund seiner ‚paracelsischen Wende‘ geriet H. in Heterodoxieverdacht; von einer zu dieser Zeit erfolgten „Zuwendung zu den Rosenkreutzern von Montpellier“ (Kreyszig 2002 [ Lex], 778) kann indes keine Rede sein. H. musste seinen Schuldienst in Bozen quittieren (1603) und lebte nun in Schwaz (1605), seit 1610 dann in Heiligkreuz (b. Hall/Tirol). Sein Paracelsismus nährte H.s scharfe Angriffe auf den Haller Arzt Hippolytus → Guarinonius, der sich aufgrund seiner schulmed. und altgläubig-orthodoxen Position ‚heidnischer Torheiten‘ bezichtigt fand. Diese und andere von H. vorab der hzl. Regierung schriftlich mitgeteilten Invektiven steigerten seine schweren Zerwürfnisse mit der Obrigkeit: 1612 wurde H. auf Befehl Erzhz. Maximilians von Tirol wegen ‚Ketzerei‘ und ‚giftiger Schriften‘ zum Strafdienst auf der Galeere ‚St. Georg‘ zu Genua verurteilt. Nach seiner Rückkehr (spätestens 1618) lebte H. wohl hauptsächlich in Augsburg. Zu H.s Wohltätern gehörten Christoph Örber (Bürgermeister und Münzmeister zu Hall) und Fürst August von Anhalt; auch in Genua fand H. Mäzene, die der Alchemie zuneigten, Fürst Antonio de’ Medici und Andrea Grimaldi. Seine engsten Freunde waren zwei Erzparacelsisten, der Arzt Karl Widemann (Augsburg) und Benedictus → Figulus, der aufgrund seines Zusammenwirkens mit H. 1612 ins Gefängnis musste. </br>'''Werk''' Laut seiner Beschreibung ( Wa 13) öffnete sich H. aufgrund seiner 1586 erfolgten Lektüre der Hohenheimschen Astronomia magna / Philosophia einer ‚theophrastischen Religion und Doktrin‘. Im Zuge dieser ‚paracelsischen Wende‘ widmete sich H. bald der Alchemomedizin (Chemiatrie) und Montanistik. Seine literarische Hinterlassenschaft prägen indes spezifisch theosophische, wohl durchaus unabhängig vom Werk Heinrich → Khunraths oder Jakob → Böhmes formulierte Zielsetzungen: H. stilisierte den Monarcha, Mysteriarcha und Vates Christi Paracelsus vielerorts zum Stifter einer neuen, aus der Hl. Schrift und dem ‚Buch der Natur‘ gespeisten Religion. Dass der Anwalt einer libertas Evangelii für seine zwischen allen konfessionalistischen Fronten befindliche und wider Schultheologie und aktuelle Machtpraktiken von Kirchen und Landesherrschaften gerichtete Theosophie die Formel Theophrastia sancta (auch: Theologia Paracelsica intacta) fand und sich selbst einen ‚theophrastischen Christen‘ nannte, bezeugt die Gewalt paracelsischer und paracelsistischer Ideologeme über H. nur einmal mehr. In den Bahnen eines schroffen Antihumanismus tat H. in seiner Schola Paracelsica Christiana alles akademische Lehrgut als Naristotelei ab; statt auf die Naturkunde eines Naristoteles und Galen setzte H. auf das Wissen Adams (prisca sapientia-Topos), wollte Wissenschaften und Künste nicht auf heidnische deliramenta gegründet wissen, sondern auf der theologischen Sophia. Kund tut sich ein Autor von ungewöhnlicher religiös-politischer Radikalität, der, in physikotheol. Traditionen wurzelnd und chiliastisch tingiert, auf eine tiefgreifende reformatio mundi drängte; durchaus an Konzepte eines Sebastian → Franck und Valentin → Weigel gemahnend, verfiel insbesondere alles ‚Mauerkirchentum‘ zugunsten einer ‚Geistkirche‘ H.s aggressivem Verdikt. Zu diesem auf umfassende Veränderungen drängenden Streben fügt sich, dass H. in seiner Antwort ( Wc 2; 1612) die reformerische Fama Fraternitatis Deß Loͤblichen Ordens des Rosenkreutzes vor ihrem Erstdruck (Kassel 1614) begeistert begrüßte, brächen doch nun die Rosenkreuzer, verstanden als Testamentsvollstrecker Hohenheims, einer Natur- und Gotteserkenntnis verknüpfenden Theophrastia weiter Bahn. </br> Sehr viele mit H.s Namen verknüpfte Schriften sind nur dem Titel nach bekannt oder in hsl. Überlieferung greifbar, darunter manche Autographen; Fremdgut bleibt von Eigentexten H.s zu sondern. Im Vergleich mit dem hsl. Schriftenbestand nimmt sich der Anteil gedruckter Texte ärmlich aus. Reichweite und Gewicht der hsl. gebliebenen Publizistik H.s im heterodoxen Untergrund der Frühen Neuzeit liegen im Dunkel. </br> In der Moderne hielten Neorosenkreuzer und Historiographen der Rosenkreuzerbewegung aufgrund seiner Antwort die Erinnerung an H. wach. Auch lieh er einer Figur in Gustav Meyrinks Erzählung Die vier Mondbrüder (1915) seinen Namen; in Walter UmmingersBriefroman Das Winterkönigreich (1994) agiert H. im Gründerkreis der Rosenkreuzer-Fraternität.  
| VL16=Nach Besuch der Bozner Lateinschule und Musikunterricht, erfolgt seit 1567 bei dem Domorganisten Andreas André (Casletanus) in Brixen, lebte H. als Lateinlehrer in St. Paul/Oberetsch, seit 1587 dann in Bozen, wo er den Schuldienst mit Tätigkeiten als Organist und seit 1588 als Chorregent an der Hauptpfarre sowie als Notarius Caesareus verband. Spätestens seit 1586 war er mit Anna verheiratet († 1615, Geburtsname unbekannt); unter seinen Kindern ragt Adam (um 1587−1665) hervor, ein nachmals in Wattens/Tirol Wattens/Tirol tätiger Alchemiker. </br> Aufgrund seiner ‚paracelsischen Wende‘ geriet H. in Heterodoxieverdacht; von einer zu dieser Zeit erfolgten „Zuwendung zu den Rosenkreutzern von Montpellier“ (Kreyszig 2002 [ Lex], 778) kann indes keine Rede sein. H. musste seinen Schuldienst in Bozen quittieren (1603) und lebte nun in Schwaz (1605), seit 1610 dann in Heiligkreuz (b. Hall/Tirol). Sein Paracelsismus nährte H.s scharfe Angriffe auf den Haller Arzt Hippolytus → Guarinonius, der sich aufgrund seiner schulmed. und altgläubig-orthodoxen Position ‚heidnischer Torheiten‘ bezichtigt fand. Diese und andere von H. vorab der hzl. Regierung schriftlich mitgeteilten Invektiven steigerten seine schweren Zerwürfnisse mit der Obrigkeit: 1612 wurde H. auf Befehl Erzhz. Maximilians von Tirol wegen ‚Ketzerei‘ und ‚giftiger Schriften‘ zum Strafdienst auf der Galeere ‚St. Georg‘ zu Genua verurteilt. Nach seiner Rückkehr (spätestens 1618) lebte H. wohl hauptsächlich in Augsburg. Zu H.s Wohltätern gehörten Christoph Örber (Bürgermeister und Münzmeister zu Hall) und Fürst August von Anhalt; auch in Genua fand H. Mäzene, die der Alchemie zuneigten, Fürst Antonio de’ Medici und Andrea Grimaldi. Seine engsten Freunde waren zwei Erzparacelsisten, der Arzt Karl Widemann (Augsburg) und Benedictus → Figulus, der aufgrund seines Zusammenwirkens mit H. 1612 ins Gefängnis musste. </br>'''Werk''' Laut seiner Beschreibung ( Wa 13) öffnete sich H. aufgrund seiner 1586 erfolgten Lektüre der Hohenheimschen Astronomia magna / Philosophia einer ‚theophrastischen Religion und Doktrin‘. Im Zuge dieser ‚paracelsischen Wende‘ widmete sich H. bald der Alchemomedizin (Chemiatrie) und Montanistik. Seine literarische Hinterlassenschaft prägen indes spezifisch theosophische, wohl durchaus unabhängig vom Werk Heinrich → Khunraths oder Jakob → Böhmes formulierte Zielsetzungen: H. stilisierte den Monarcha, Mysteriarcha und Vates Christi Paracelsus vielerorts zum Stifter einer neuen, aus der Hl. Schrift und dem ‚Buch der Natur‘ gespeisten Religion. Dass der Anwalt einer libertas Evangelii für seine zwischen allen konfessionalistischen Fronten befindliche und wider Schultheologie und aktuelle Machtpraktiken von Kirchen und Landesherrschaften gerichtete Theosophie die Formel Theophrastia sancta (auch: Theologia Paracelsica intacta) fand und sich selbst einen ‚theophrastischen Christen‘ nannte, bezeugt die Gewalt paracelsischer und paracelsistischer Ideologeme über H. nur einmal mehr. In den Bahnen eines schroffen Antihumanismus tat H. in seiner Schola Paracelsica Christiana alles akademische Lehrgut als Naristotelei ab; statt auf die Naturkunde eines Naristoteles und Galen setzte H. auf das Wissen Adams (prisca sapientia-Topos), wollte Wissenschaften und Künste nicht auf heidnische deliramenta gegründet wissen, sondern auf der theologischen Sophia. Kund tut sich ein Autor von ungewöhnlicher religiös-politischer Radikalität, der, in physikotheol. Traditionen wurzelnd und chiliastisch tingiert, auf eine tiefgreifende reformatio mundi drängte; durchaus an Konzepte eines Sebastian → Franck und Valentin → Weigel gemahnend, verfiel insbesondere alles ‚Mauerkirchentum‘ zugunsten einer ‚Geistkirche‘ H.s aggressivem Verdikt. Zu diesem auf umfassende Veränderungen drängenden Streben fügt sich, dass H. in seiner Antwort ( Wc 2; 1612) die reformerische Fama Fraternitatis Deß Loͤblichen Ordens des Rosenkreutzes vor ihrem Erstdruck (Kassel 1614) begeistert begrüßte, brächen doch nun die Rosenkreuzer, verstanden als Testamentsvollstrecker Hohenheims, einer Natur- und Gotteserkenntnis verknüpfenden Theophrastia weiter Bahn. </br> Sehr viele mit H.s Namen verknüpfte Schriften sind nur dem Titel nach bekannt oder in hsl. Überlieferung greifbar, darunter manche Autographen; Fremdgut bleibt von Eigentexten H.s zu sondern. Im Vergleich mit dem hsl. Schriftenbestand nimmt sich der Anteil gedruckter Texte ärmlich aus. Reichweite und Gewicht der hsl. gebliebenen Publizistik H.s im heterodoxen Untergrund der Frühen Neuzeit liegen im Dunkel. </br> In der Moderne hielten Neorosenkreuzer und Historiographen der Rosenkreuzerbewegung aufgrund seiner Antwort die Erinnerung an H. wach. Auch lieh er einer Figur in Gustav Meyrinks Erzählung Die vier Mondbrüder (1915) seinen Namen; in Walter UmmingersBriefroman Das Winterkönigreich (1994) agiert H. im Gründerkreis der Rosenkreuzer-Fraternität.  
| Killy=H. war als Lateinlehrer zu St. Pauls (Oberetsch), seit 1588 in Bozen tätig; außerdem war er Chorregent an der Bozener Hauptpfarre u. Notarius Caesareus. Später lebte er in Schwaz (1605), seit 1610 in Heiligen Kreuz (bei Hall). H.s ›Paracelsische Wende‹ nährte seine scharfen Angriffe auf den Haller Arzt Hippolytus Guarinonius u. führte zu schweren Zerwürfnissen mit der Obrigkeit: H. wurde aus Bozener Schuldiensten entlassen (1604) u. schließlich auf Befehl Erzherzog Maximilians von Tirol wegen ›Ketzerei‹ u. ›giftiger Schriften‹ zum Strafdienst auf einer Galeere zu Genua verurteilt (1612). Nach seiner Rückkehr (spätestens 1618) lebte H. wohl hauptsächlich in Augsburg. – Zu H.s Förderern gehörte Fürst August von Anhalt, zu seinen engsten Freunden die Erzparacelsisten Benedictus Figulus u. Karl Widemann. </br> Im Zuge seiner ›Paracelsischen Wende‹ widmete sich H. der Alchemomedizin, chemiatr. Praxis u. Montanistik. Den Schwerpunkt bildeten theosophische Zielsetzungen. In den Bahnen eines schroffen Antihumanismus tat H. die Schulwissenschaften als ›Narristotelei‹ ab; durchaus in der Tradition eines S. Franck u. V. Weigel verfiel alles ›Mauerkirchentum‹ zugunsten einer ›Geistkirche‹ H.s Verdikt. Er stilisierte Paracelsus zum Stifter einer neuen, aus der Hl. Schrift u. dem ›Buch der Natur‹ gespeisten Religion u. fand für seine heterodoxe Theosophie die Formel »Theophrastia Sancta«. Aufschlussreiche Einblicke in H.s literar. Rüstkammer gewährt Joachim Morsius (Nuncius Olympicus Von [...] geheimen Bücheren. Philadelphia [Amsterd.] 1626. Repr. in: Gilly, 1994, S. 243-290). Reichweite u. Gewicht der handschriftl. Publizistik H.s im heterodoxen ›Untergrund‹ der frühen Neuzeit liegen im Dunkel. </br> Ein Großteil der H.schen Schriften wird von alchemoreligiösen Zielsetzungen geprägt. Sehr viele Werke sind nur dem Titel nach bekannt oder/u. in handschriftl. Überlieferungen greifbar, darunter manche Autografen. In Druck gelangten H.s Discantus. Newe Teütsche Gesang (Augsb. 1592), seine Stellungnahme zur Fama fraternitatis (Antwort An die [...] Brüderschafft der Theosophen von RosenCreutz. o. O. 1612 u. ö.), zwei Kurztraktate, veröffentlicht unter dem Namen des Paracelsus (Astronomia Olympi Novi. Theologia Cabalistica. In: Philosophia mystica. Neustadt [d. i. Ffm.] 1618) u. H.s Character Cabalisticus (In: Nucleus sophicus. Hg. Liberius Benedictus. Ffm. 1623).  
| Killy=$H. war als Lateinlehrer zu St. Pauls (Oberetsch), seit 1588 in Bozen tätig; außerdem war er Chorregent an der Bozener Hauptpfarre u. Notarius Caesareus. Später lebte er in Schwaz (1605), seit 1610 in Heiligen Kreuz (bei Hall). H.s ›Paracelsische Wende‹ nährte seine scharfen Angriffe auf den Haller Arzt Hippolytus Guarinonius u. führte zu schweren Zerwürfnissen mit der Obrigkeit: H. wurde aus Bozener Schuldiensten entlassen (1604) u. schließlich auf Befehl Erzherzog Maximilians von Tirol wegen ›Ketzerei‹ u. ›giftiger Schriften‹ zum Strafdienst auf einer Galeere zu Genua verurteilt (1612). Nach seiner Rückkehr (spätestens 1618) lebte H. wohl hauptsächlich in Augsburg. – Zu H.s Förderern gehörte Fürst August von Anhalt, zu seinen engsten Freunden die Erzparacelsisten Benedictus Figulus u. Karl Widemann. </br> Im Zuge seiner ›Paracelsischen Wende‹ widmete sich H. der Alchemomedizin, chemiatr. Praxis u. Montanistik. Den Schwerpunkt bildeten theosophische Zielsetzungen. In den Bahnen eines schroffen Antihumanismus tat H. die Schulwissenschaften als ›Narristotelei‹ ab; durchaus in der Tradition eines S. Franck u. V. Weigel verfiel alles ›Mauerkirchentum‹ zugunsten einer ›Geistkirche‹ H.s Verdikt. Er stilisierte Paracelsus zum Stifter einer neuen, aus der Hl. Schrift u. dem ›Buch der Natur‹ gespeisten Religion u. fand für seine heterodoxe Theosophie die Formel »Theophrastia Sancta«. Aufschlussreiche Einblicke in H.s literar. Rüstkammer gewährt Joachim Morsius (Nuncius Olympicus Von [...] geheimen Bücheren. Philadelphia [Amsterd.] 1626. Repr. in: Gilly, 1994, S. 243-290). Reichweite u. Gewicht der handschriftl. Publizistik H.s im heterodoxen ›Untergrund‹ der frühen Neuzeit liegen im Dunkel. </br> Ein Großteil der H.schen Schriften wird von alchemoreligiösen Zielsetzungen geprägt. Sehr viele Werke sind nur dem Titel nach bekannt oder/u. in handschriftl. Überlieferungen greifbar, darunter manche Autografen. In Druck gelangten H.s Discantus. Newe Teütsche Gesang (Augsb. 1592), seine Stellungnahme zur Fama fraternitatis (Antwort An die [...] Brüderschafft der Theosophen von RosenCreutz. o. O. 1612 u. ö.), zwei Kurztraktate, veröffentlicht unter dem Namen des Paracelsus (Astronomia Olympi Novi. Theologia Cabalistica. In: Philosophia mystica. Neustadt [d. i. Ffm.] 1618) u. H.s Character Cabalisticus (In: Nucleus sophicus. Hg. Liberius Benedictus. Ffm. 1623).  
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Roland Edighoffer: A. H. in: Dictionary of Gnosis and Western Esotericism. Hg. Wouter J. Hanegraaff. Bd. 1, Leiden 2005, S. 459-461.
Roland Edighoffer: A. H. in: Dictionary of Gnosis and Western Esotericism. Hg. Wouter J. Hanegraaff. Bd. 1, Leiden 2005, S. 459-461.
Hannes Obermair: Frühes Wissen. Auf der Suche nach vormodernen Wissensformen in Bozen und Tirol. In: Hans Karl Peterlini (Hrsg.): Universitas Est. Bd. I: Essays zur Bildungsgeschichte in Tirol/Südtirol vom Mittelalter bis zur Freien Universität Bozen. Bozen: Bozen/Bolzano University Press 2008, S. 35–87, Bezug S. 44–47


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Revision as of 22:35, 21 June 2024


Adam Haslmayr (um 1560/65–1630) war Musiker, kaiserlicher Notarius, Paracelsist, Alchemist.
Haslmayr wurde um 1560/65 in Bozen geboren. Von 1588 bis 1603 war er als Pfarrschulmeister, Organist und kaiserlicher Notarius in Bozen tätig. 1592 veröffentlichte er eigene Kompositionen (Newe Teütsche Gesang für fünf Stimmen, Augsburg: Valentin Schönigk 1592; fehlt VD16). 1593 wurde er mit Wappenbrief in den Adelsstand erhoben. Ab Mitte der 1590er Jahre begann Haslmayr, sich unter dem Einfluss von → Lorenz Lutz mit Paracelsus zu beschäftigten. 1602 wurde er vom Bozener Rat aufgefordert, sich von den Lehren des Paracelsus zu distanzieren, 1603 schickte er einen Brief und einen paracelsistischen Traktat an den neuen Landesherrn Erzherzog Maximilian von Tirol. Dieser ließ seinen Hofpreder Anton Khlesl die Schrift begutachten, worauf Haslmayr nach Innsbruck vorgeladen und befragt wurde. Seine Bibliothek wurde anschließend konfisziert und teilweise verbrannt, und er verlor 1603 seine Stellung als Schulmeister.
  1605 zog Haslmayr nach Schwaz um und hatte dort Kontakt mit zahlreichen Paracelsisten und Alchemisten. Fünf Jahre später zog er 1610 nach Heiligkreuz (bei Hall in Tirol) und pflegte dort nähere Bekanntschaft mit dem Haller Bürgermeister → Christoph Örber, der die Interessen Haslmayrs teilte. Nach längerer Unterbrechung suchte 1610 Haslmayr auch erneut Kontakt mit Erzherzog Maximilian, in den er offenbar große Hoffnungen setzte. Zur gleichen Zeit entwickelte sich eine erbitterte Feindschaft zwischen Haslmayr und dem Arzt Hippolytus Guarinonius, der in seinem Werk Die Grewel der Verwüstung Menschlichen Geschlechtes (Ingolstadt: Andreas Angermayr 1610) scharfe Kritik an Paracelsus übte. Haslmayr verfasste einen Angriff auf Guarinonius; auf Betreiben von Guarinonius wurde Haslmayr dann 1611 erneut nach Innsbruck vorgeladen. Da zur gleichen Zeit in der Gegend von Schwaz die Pest ausbrach, sollte Haslmayr schließlich doch nicht anreisen, sondern schriftlich Stellung beziehen. Das Verfahren wurde offenbar eingestellt und stattdessen Hippolytus Guarinonius, der Bergwerksarzt von Schwaz, seines Amtes enthoben.

1611 im Juli Zusammentreffen mit Widemann in Augsburg, den er Anfang des Jahres über Figulus kennengelernt hatte. 1612 Haslmayr verfasst seine "Antwort an die Lobwürdige Brüderschafft der Theosophen von RosenCreutz" und schickt sie an August von Anhalt 1612 Guarinoni schickt eine Reihen von Beschwerden über Haslmayr an die Landesregierung, insbesondere mit dem Vorwurf, das Haslmayr die Beichte verweigert. 1612 Über Augsburg und Linz reist Haslmayr nach Wien, um Erzherzog Maximilian persönlich eine Verteidigungsschrift zu überbringen. 1612 Erzherzog Maximilian entschließt sich, Galeerenhaft für Haslmayr anzuordnen und verfügt diese in einer geheimen Anordnung an die Behörden in Innsbruck. Unmittelbar nach seiner Rückkehr von Wien nach Innsbruck wird Haslmayr verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Seine Bücher und Schriften werden beschlagnahmt. 1612-1617 Ende des Jahres befindet sich Haslmayr bereits auf einer Galeere vor Genua; die Galeerenhaft dauert 4 1/2 Jahre, bis er im Februar 1617 begnadigt und wohl einige Monate später entlassen wird. nach Ende der Haft hält sich Haslmayr unter anderem bei Widemann zuhause in Augsburg auf, so im April 1618. Über weitere Aufenthaltsorte ist nichts bekannt.

Anfang 1630 ist Haslmayr noch am Leben, aber schwer krank, als Widemann ihn besucht. Danach verlieren sich seine Spuren.
Haslmayr war verheiratet und hatte mindestens zwei Söhne: Adam (gest. 1665) und Ammandus (nachgewiesen 1615 bis 1662 in Hall).
Bekanntschaft mit Lorenz Lutz Anfang der 1590er Jahre ab 1594 Beschäftigung mit Paracelsus und Paracelsismus
Kontakte in Schwaz: Gilly, 33
Literatur: Julian Paulus: “Alchemie und Paracelsismus um 1600 : Siebzig Porträts”, in: Analecta Paracelsica, ed. by Joachim Telle, Stuttgart: Franz Steiner 1994, 335-386, esp. 360-361