Biographies/Adam Haslmayr
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Adam Haslmayr war zunächst als Lateinschulmeister und Kirchenmusiker in Bozen tätig, nahm jedoch mehr und mehr eine ablehnende Haltung zur katholischen Kirche ein, was zu schweren Konflikten mit der Obrigkeit führte. Nicht zuletzt von alchemischen Interessen geleitet, begann er Handschriften mit paracelsischen und pseudoparacelsischen Texten zu sammeln, unter denen sich auch theologische Werke Paracelsus’ befanden. Mit einem (nicht mehr erhaltenen) Traktat wandte sich Haslmayr 1603 an den Regenten von Tirol, Erzherzog Maximilian, was sich als Fehler herausstellte: Fortan war Haslmayr Verfolgungen ausgesetzt, weil – so der Vorwurf – in dem Traktat „allerlay Theophrastische und Paracelsische, der catholischen, allain wahren Religion ganz widerige opiniones et errores begriffen“ gewesen seien. Bei Haslmayr wurden „verdechtige Büecher“ festgestellt und zum Teil beschlagnahmt; außerdem wurde er seines Amtes als Schulmeister enthoben.
1605 begab sich Haslmayr nach Schwaz und wurde im Bergwerkswesen tätig; 1610 zog er nach Heiligkreuz. Hier fand er Unterstützung durch den Bürgermeister der nahegelegenen Stadt Hall, Christoph Örber. Ein Streit mit dem Haller Stadtarzt Hippolyt Guarinoni führte erneut zum Vorwurf ketzerischer Ansichten; am 21. August 1612 wurde er verhaftet und am 15. Oktober zu fünf Jahren Haft auf einer Galeere vor Genua verurteilt. Vergebens waren die Gesuche von Haslmayrs Frau und die Fürsprache von Fürst August von Anhalt; erst im Mai 1617 kam er wieder frei. Haslmayr stand mit Widemann noch bis 1630 in Verbindung und vermittelte ihm regelmäßig Texte.
Im Zuge seiner ›Paracelsischen Wende‹ widmete sich H. der Alchemomedizin, chemiatr. Praxis u. Montanistik. Den Schwerpunkt bildeten theosophische Zielsetzungen. In den Bahnen eines schroffen Antihumanismus tat H. die Schulwissenschaften als ›Narristotelei‹ ab; durchaus in der Tradition eines S. Franck u. V. Weigel verfiel alles ›Mauerkirchentum‹ zugunsten einer ›Geistkirche‹ H.s Verdikt. Er stilisierte Paracelsus zum Stifter einer neuen, aus der Hl. Schrift u. dem ›Buch der Natur‹ gespeisten Religion u. fand für seine heterodoxe Theosophie die Formel »Theophrastia Sancta«. Aufschlussreiche Einblicke in H.s literar. Rüstkammer gewährt Joachim Morsius (Nuncius Olympicus Von [...] geheimen Bücheren. Philadelphia [Amsterd.] 1626. Repr. in: Gilly, 1994, S. 243-290). Reichweite u. Gewicht der handschriftl. Publizistik H.s im heterodoxen ›Untergrund‹ der frühen Neuzeit liegen im Dunkel.
Ein Großteil der H.schen Schriften wird von alchemoreligiösen Zielsetzungen geprägt. Sehr viele Werke sind nur dem Titel nach bekannt oder/u. in handschriftl. Überlieferungen greifbar, darunter manche Autografen. In Druck gelangten H.s Discantus. Newe Teütsche Gesang (Augsb. 1592), seine Stellungnahme zur Fama fraternitatis (Antwort An die [...] Brüderschafft der Theosophen von RosenCreutz. o. O. 1612 u. ö.), zwei Kurztraktate, veröffentlicht unter dem Namen des Paracelsus (Astronomia Olympi Novi. Theologia Cabalistica. In: Philosophia mystica. Neustadt [d. i. Ffm.] 1618) u. H.s Character Cabalisticus (In: Nucleus sophicus. Hg. Liberius Benedictus. Ffm. 1623).
Aufgrund seiner ‚paracelsischen Wende‘ geriet H. in Heterodoxieverdacht; von einer zu dieser Zeit erfolgten „Zuwendung zu den Rosenkreutzern von Montpellier“ (Kreyszig 2002 [ Lex], 778) kann indes keine Rede sein. H. musste seinen Schuldienst in Bozen quittieren (1603) und lebte nun in Schwaz (1605), seit 1610 dann in Heiligkreuz (b. Hall/Tirol). Sein Paracelsismus nährte H.s scharfe Angriffe auf den Haller Arzt Hippolytus → Guarinonius, der sich aufgrund seiner schulmed. und altgläubig-orthodoxen Position ‚heidnischer Torheiten‘ bezichtigt fand. Diese und andere von H. vorab der hzl. Regierung schriftlich mitgeteilten Invektiven steigerten seine schweren Zerwürfnisse mit der Obrigkeit: 1612 wurde H. auf Befehl Erzhz. Maximilians von Tirol wegen ‚Ketzerei‘ und ‚giftiger Schriften‘ zum Strafdienst auf der Galeere ‚St. Georg‘ zu Genua verurteilt. Nach seiner Rückkehr (spätestens 1618) lebte H. wohl hauptsächlich in Augsburg. Zu H.s Wohltätern gehörten Christoph Örber (Bürgermeister und Münzmeister zu Hall) und Fürst August von Anhalt; auch in Genua fand H. Mäzene, die der Alchemie zuneigten, Fürst Antonio de’ Medici und Andrea Grimaldi. Seine engsten Freunde waren zwei Erzparacelsisten, der Arzt Karl Widemann (Augsburg) und Benedictus → Figulus, der aufgrund seines Zusammenwirkens mit H. 1612 ins Gefängnis musste.
Werk Laut seiner Beschreibung ( Wa 13) öffnete sich H. aufgrund seiner 1586 erfolgten Lektüre der Hohenheimschen Astronomia magna / Philosophia einer ‚theophrastischen Religion und Doktrin‘. Im Zuge dieser ‚paracelsischen Wende‘ widmete sich H. bald der Alchemomedizin (Chemiatrie) und Montanistik. Seine literarische Hinterlassenschaft prägen indes spezifisch theosophische, wohl durchaus unabhängig vom Werk Heinrich → Khunraths oder Jakob → Böhmes formulierte Zielsetzungen: H. stilisierte den Monarcha, Mysteriarcha und Vates Christi Paracelsus vielerorts zum Stifter einer neuen, aus der Hl. Schrift und dem ‚Buch der Natur‘ gespeisten Religion. Dass der Anwalt einer libertas Evangelii für seine zwischen allen konfessionalistischen Fronten befindliche und wider Schultheologie und aktuelle Machtpraktiken von Kirchen und Landesherrschaften gerichtete Theosophie die Formel Theophrastia sancta (auch: Theologia Paracelsica intacta) fand und sich selbst einen ‚theophrastischen Christen‘ nannte, bezeugt die Gewalt paracelsischer und paracelsistischer Ideologeme über H. nur einmal mehr. In den Bahnen eines schroffen Antihumanismus tat H. in seiner Schola Paracelsica Christiana alles akademische Lehrgut als Naristotelei ab; statt auf die Naturkunde eines Naristoteles und Galen setzte H. auf das Wissen Adams (prisca sapientia-Topos), wollte Wissenschaften und Künste nicht auf heidnische deliramenta gegründet wissen, sondern auf der theologischen Sophia. Kund tut sich ein Autor von ungewöhnlicher religiös-politischer Radikalität, der, in physikotheol. Traditionen wurzelnd und chiliastisch tingiert, auf eine tiefgreifende reformatio mundi drängte; durchaus an Konzepte eines Sebastian → Franck und Valentin → Weigel gemahnend, verfiel insbesondere alles ‚Mauerkirchentum‘ zugunsten einer ‚Geistkirche‘ H.s aggressivem Verdikt. Zu diesem auf umfassende Veränderungen drängenden Streben fügt sich, dass H. in seiner Antwort ( Wc 2; 1612) die reformerische Fama Fraternitatis Deß Loͤblichen Ordens des Rosenkreutzes vor ihrem Erstdruck (Kassel 1614) begeistert begrüßte, brächen doch nun die Rosenkreuzer, verstanden als Testamentsvollstrecker Hohenheims, einer Natur- und Gotteserkenntnis verknüpfenden Theophrastia weiter Bahn.
Sehr viele mit H.s Namen verknüpfte Schriften sind nur dem Titel nach bekannt oder in hsl. Überlieferung greifbar, darunter manche Autographen; Fremdgut bleibt von Eigentexten H.s zu sondern. Im Vergleich mit dem hsl. Schriftenbestand nimmt sich der Anteil gedruckter Texte ärmlich aus. Reichweite und Gewicht der hsl. gebliebenen Publizistik H.s im heterodoxen Untergrund der Frühen Neuzeit liegen im Dunkel.
In der Moderne hielten Neorosenkreuzer und Historiographen der Rosenkreuzerbewegung aufgrund seiner Antwort die Erinnerung an H. wach. Auch lieh er einer Figur in Gustav Meyrinks Erzählung Die vier Mondbrüder (1915) seinen Namen; in Walter UmmingersBriefroman Das Winterkönigreich (1994) agiert H. im Gründerkreis der Rosenkreuzer-Fraternität.
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Main Sources
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O. Wessely: A. H. In: MGG, Bd. 5 (1956), Sp. 1768-1770
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Ders.: A. H. In: NDB
Carlos Gilly: ›Theophrastia Sancta‹. Der Paracelsismus als Religion im Streit mit den offiziellen Kirchen. In: Analecta Paracelsica. Hg. Joachim Telle. Stgt. 1994, S. 425-488
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Carlos Gilly: Cimelia Rhodostaurotica. Die Rosenkreuzer im Spiegel der zwischen 1610 u. 1660 entstandenen Hss. u. Drucke. Amst. ²1995, s. v. (mit Faksimilia).
Walter Kreyszig: A. H. In: MGG 2. Aufl. Bd. 8 (Pers.), Sp. 778 f.
Jaumann Hdb.
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