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Killy s.v. Figulus: F. hing einer alchemoreligiösen Oppositionsbewegung an, die ihre reformatorisch-chiliast. Sehnsüchte auf einen Sieg der »Theosophia« u. paracelsist. Naturkunde über orthodoxe Kirchenlehre, aristotelisch-humanistische »Schulphilosophia« u. galenist. Medizin gründete. Vertreter dieser auf Reform von Religion, Staat u. Wissenschaft drängenden Gruppierung, namentlich Adam Haslmayr (Tirol) u. Karl Widemann (Augsburg), zählten zu seinen engsten Freunden; mit dem Marburger Theoalchemiker Raphael Egli stand F. in fachlichem Austausch.
VL16 s.v. Figulus: F. hing einer alchemoreligiösen Oppositionsbewegung an, die ihre reformatorisch-chiliastischen Sehnsüchte auf einen Sieg der ‚Theosophia‘ und paracelsistischen Naturkunde über orthodoxe Kirchenlehre, aristotelisch-humanistische ‚Schulphilosophia‘ und galenistische Medizin gründete. Vertreter dieser auf Reform von Religion, Staat und Wissenschaft drängenden Gruppierung fnzl. Dissidententums, namentlich Adam → Haslmayr (Tirol) und Karl Widemann (Augsburg), zählten zu seinen engsten Freunden; mit dem Marburger Theoalchemiker Raphael Egli stand F. in fachlichem Austausch.
Killy s.v. Morsius: M. unterstützte Widemann bei Verkäufen sowohl der literar. Hinterlassenschaft des paracelsist. Theosophen Adam Haslmayr (Nuncius Olympicus Von etzlichen geheimen Bücheren vnd Schrifften/ so ein fürnehmer [...] Theosophus vnd Medicus [...] zusammen gebracht. Philadelphia [Amsterd.?] 1626) als auch paracelsischer u. alchemoparacelsist. Schriften u. stand bei dieser Gelegenheit mit Landgraf Moritz von Hessen-Kassel (1627) u. Herzog August d. J. von Braunschweig-Lüneburg in Verbindung.
VL16 s.v. Guarinonius:  G. gehörte zu den erbitterten Gegnern des Rosenkreuzers und Paracelsisten Adam → Haslmayr, den er mehrfach mit Erfolg in Innsbruck denunzierte
Killy s.v. Guarinonius: Zum anderen gehörte G. zum galenistischen Medizinerlager; er erblickte in Paracelsisten u. Alchemikern nichts als strickwürdige »calvinische Landstreicher«, so dass ihm 1610-1612 in dem Notar, Musiker u. paracelsistischen »Ketzer« Adam Haslmayr einer der schärfsten Gegner erwuchs.
Killy s.v. Nollius: Als Morsius in seinem Nuncius Olympicus (Philadelphia, recte Amsterd. [?] 1626) einen fast 230 Titel umfassenden Katalog der hermetistisch-pansoph. Bibliothek von Adam Haslmayr , dem ersten »Verkünder der Rosenkreuzerschriften«, publizierte (Faksimiledr. in Gilly 1994, S. 239-290), druckte er am Schluss Begleitverse seines »engsten Freundes« N. ab, der hier noch als Steinfurter Professor zeichnet.
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| Paulus1994=360-361$Geboren um 1560 in Bozen, gestorben nach 1630. </br> Adam Haslmayr war zunächst als Lateinschulmeister und Kirchenmusiker in Bozen tätig, nahm jedoch mehr und mehr eine ablehnende Haltung zur katholischen Kirche ein, was zu schweren Konflikten mit der Obrigkeit führte. Nicht zuletzt von alchemischen Interessen geleitet, begann er Handschriften mit paracelsischen und pseudoparacelsischen Texten zu sammeln, unter denen sich auch theologische Werke Paracelsus’ befanden. Mit einem (nicht mehr erhaltenen) Traktat wandte sich Haslmayr 1603 an den Regenten von Tirol, Erzherzog Maximilian, was sich als Fehler herausstellte: Fortan war Haslmayr Verfolgungen ausgesetzt, weil – so der Vorwurf – in dem Traktat „allerlay Theophrastische und Paracelsische, der catholischen, allain wahren Religion ganz widerige opiniones et errores begriffen“ gewesen seien. Bei Haslmayr wurden „verdechtige Büecher“ festgestellt und zum Teil beschlagnahmt; außerdem wurde er seines Amtes als Schulmeister enthoben. </br> 1605 begab sich Haslmayr nach Schwaz und wurde im Bergwerkswesen tätig; 1610 zog er nach Heiligkreuz. Hier fand er Unterstützung durch den Bürgermeister der nahegelegenen Stadt Hall, Christoph Örber. Ein Streit mit dem Haller Stadtarzt Hippolyt Guarinoni führte erneut zum Vorwurf ketzerischer Ansichten; am 21. August 1612 wurde er verhaftet und am 15. Oktober zu fünf Jahren Haft auf einer Galeere vor Genua verurteilt. Vergebens waren die Gesuche von Haslmayrs Frau und die Fürsprache von Fürst August von Anhalt; erst im Mai 1617 kam er wieder frei. Haslmayr stand mit Widemann noch bis 1630 in Verbindung und vermittelte ihm regelmäßig Texte.
| Paulus1994=360-361$'''Vita'''. Geboren um 1560 in Bozen, gestorben nach 1630. </br> Adam Haslmayr war zunächst als Lateinschulmeister und Kirchenmusiker in Bozen tätig, nahm jedoch mehr und mehr eine ablehnende Haltung zur katholischen Kirche ein, was zu schweren Konflikten mit der Obrigkeit führte. Nicht zuletzt von alchemischen Interessen geleitet, begann er Handschriften mit paracelsischen und pseudoparacelsischen Texten zu sammeln, unter denen sich auch theologische Werke Paracelsus’ befanden. Mit einem (nicht mehr erhaltenen) Traktat wandte sich Haslmayr 1603 an den Regenten von Tirol, Erzherzog Maximilian, was sich als Fehler herausstellte: Fortan war Haslmayr Verfolgungen ausgesetzt, weil – so der Vorwurf – in dem Traktat „allerlay Theophrastische und Paracelsische, der catholischen, allain wahren Religion ganz widerige opiniones et errores begriffen“ gewesen seien. Bei Haslmayr wurden „verdechtige Büecher“ festgestellt und zum Teil beschlagnahmt; außerdem wurde er seines Amtes als Schulmeister enthoben. </br> 1605 begab sich Haslmayr nach Schwaz und wurde im Bergwerkswesen tätig; 1610 zog er nach Heiligkreuz. Hier fand er Unterstützung durch den Bürgermeister der nahegelegenen Stadt Hall, Christoph Örber. Ein Streit mit dem Haller Stadtarzt Hippolyt Guarinoni führte erneut zum Vorwurf ketzerischer Ansichten; am 21. August 1612 wurde er verhaftet und am 15. Oktober zu fünf Jahren Haft auf einer Galeere vor Genua verurteilt. Vergebens waren die Gesuche von Haslmayrs Frau und die Fürsprache von Fürst August von Anhalt; erst im Mai 1617 kam er wieder frei. Haslmayr stand mit Widemann noch bis 1630 in Verbindung und vermittelte ihm regelmäßig Texte.
| VL16=Nach Besuch der Bozner Lateinschule und Musikunterricht, erfolgt seit 1567 bei dem Domorganisten Andreas André (Casletanus) in Brixen, lebte H. als Lateinlehrer in St. Paul/Oberetsch, seit 1587 dann in Bozen, wo er den Schuldienst mit Tätigkeiten als Organist und seit 1588 als Chorregent an der Hauptpfarre sowie als Notarius Caesareus verband. Spätestens seit 1586 war er mit Anna verheiratet († 1615, Geburtsname unbekannt); unter seinen Kindern ragt Adam (um 1587−1665) hervor, ein nachmals in Wattens/Tirol Wattens/Tirol tätiger Alchemiker. </br> Aufgrund seiner ‚paracelsischen Wende‘ geriet H. in Heterodoxieverdacht; von einer zu dieser Zeit erfolgten „Zuwendung zu den Rosenkreutzern von Montpellier“ (Kreyszig 2002 [ Lex], 778) kann indes keine Rede sein. H. musste seinen Schuldienst in Bozen quittieren (1603) und lebte nun in Schwaz (1605), seit 1610 dann in Heiligkreuz (b. Hall/Tirol). Sein Paracelsismus nährte H.s scharfe Angriffe auf den Haller Arzt Hippolytus → Guarinonius, der sich aufgrund seiner schulmed. und altgläubig-orthodoxen Position ‚heidnischer Torheiten‘ bezichtigt fand. Diese und andere von H. vorab der hzl. Regierung schriftlich mitgeteilten Invektiven steigerten seine schweren Zerwürfnisse mit der Obrigkeit: 1612 wurde H. auf Befehl Erzhz. Maximilians von Tirol wegen ‚Ketzerei‘ und ‚giftiger Schriften‘ zum Strafdienst auf der Galeere ‚St. Georg‘ zu Genua verurteilt. Nach seiner Rückkehr (spätestens 1618) lebte H. wohl hauptsächlich in Augsburg. Zu H.s Wohltätern gehörten Christoph Örber (Bürgermeister und Münzmeister zu Hall) und Fürst August von Anhalt; auch in Genua fand H. Mäzene, die der Alchemie zuneigten, Fürst Antonio de’ Medici und Andrea Grimaldi. Seine engsten Freunde waren zwei Erzparacelsisten, der Arzt Karl Widemann (Augsburg) und Benedictus → Figulus, der aufgrund seines Zusammenwirkens mit H. 1612 ins Gefängnis musste. </br>'''Werk''' Laut seiner Beschreibung ( Wa 13) öffnete sich H. aufgrund seiner 1586 erfolgten Lektüre der Hohenheimschen Astronomia magna / Philosophia einer ‚theophrastischen Religion und Doktrin‘. Im Zuge dieser ‚paracelsischen Wende‘ widmete sich H. bald der Alchemomedizin (Chemiatrie) und Montanistik. Seine literarische Hinterlassenschaft prägen indes spezifisch theosophische, wohl durchaus unabhängig vom Werk Heinrich → Khunraths oder Jakob → Böhmes formulierte Zielsetzungen: H. stilisierte den Monarcha, Mysteriarcha und Vates Christi Paracelsus vielerorts zum Stifter einer neuen, aus der Hl. Schrift und dem ‚Buch der Natur‘ gespeisten Religion. Dass der Anwalt einer libertas Evangelii für seine zwischen allen konfessionalistischen Fronten befindliche und wider Schultheologie und aktuelle Machtpraktiken von Kirchen und Landesherrschaften gerichtete Theosophie die Formel Theophrastia sancta (auch: Theologia Paracelsica intacta) fand und sich selbst einen ‚theophrastischen Christen‘ nannte, bezeugt die Gewalt paracelsischer und paracelsistischer Ideologeme über H. nur einmal mehr. In den Bahnen eines schroffen Antihumanismus tat H. in seiner Schola Paracelsica Christiana alles akademische Lehrgut als Naristotelei ab; statt auf die Naturkunde eines Naristoteles und Galen setzte H. auf das Wissen Adams (prisca sapientia-Topos), wollte Wissenschaften und Künste nicht auf heidnische deliramenta gegründet wissen, sondern auf der theologischen Sophia. Kund tut sich ein Autor von ungewöhnlicher religiös-politischer Radikalität, der, in physikotheol. Traditionen wurzelnd und chiliastisch tingiert, auf eine tiefgreifende reformatio mundi drängte; durchaus an Konzepte eines Sebastian → Franck und Valentin → Weigel gemahnend, verfiel insbesondere alles ‚Mauerkirchentum‘ zugunsten einer ‚Geistkirche‘ H.s aggressivem Verdikt. Zu diesem auf umfassende Veränderungen drängenden Streben fügt sich, dass H. in seiner Antwort ( Wc 2; 1612) die reformerische Fama Fraternitatis Deß Loͤblichen Ordens des Rosenkreutzes vor ihrem Erstdruck (Kassel 1614) begeistert begrüßte, brächen doch nun die Rosenkreuzer, verstanden als Testamentsvollstrecker Hohenheims, einer Natur- und Gotteserkenntnis verknüpfenden Theophrastia weiter Bahn. </br> Sehr viele mit H.s Namen verknüpfte Schriften sind nur dem Titel nach bekannt oder in hsl. Überlieferung greifbar, darunter manche Autographen; Fremdgut bleibt von Eigentexten H.s zu sondern. Im Vergleich mit dem hsl. Schriftenbestand nimmt sich der Anteil gedruckter Texte ärmlich aus. Reichweite und Gewicht der hsl. gebliebenen Publizistik H.s im heterodoxen Untergrund der Frühen Neuzeit liegen im Dunkel. </br> In der Moderne hielten Neorosenkreuzer und Historiographen der Rosenkreuzerbewegung aufgrund seiner Antwort die Erinnerung an H. wach. Auch lieh er einer Figur in Gustav Meyrinks Erzählung Die vier Mondbrüder (1915) seinen Namen; in Walter UmmingersBriefroman Das Winterkönigreich (1994) agiert H. im Gründerkreis der Rosenkreuzer-Fraternität.
| Killy=H. war als Lateinlehrer zu St. Pauls (Oberetsch), seit 1588 in Bozen tätig; außerdem war er Chorregent an der Bozener Hauptpfarre u. Notarius Caesareus. Später lebte er in Schwaz (1605), seit 1610 in Heiligen Kreuz (bei Hall). H.s ›Paracelsische Wende‹ nährte seine scharfen Angriffe auf den Haller Arzt Hippolytus Guarinonius u. führte zu schweren Zerwürfnissen mit der Obrigkeit: H. wurde aus Bozener Schuldiensten entlassen (1604) u. schließlich auf Befehl Erzherzog Maximilians von Tirol wegen ›Ketzerei‹ u. ›giftiger Schriften‹ zum Strafdienst auf einer Galeere zu Genua verurteilt (1612). Nach seiner Rückkehr (spätestens 1618) lebte H. wohl hauptsächlich in Augsburg. – Zu H.s Förderern gehörte Fürst August von Anhalt, zu seinen engsten Freunden die Erzparacelsisten Benedictus Figulus u. Karl Widemann. </br> Im Zuge seiner ›Paracelsischen Wende‹ widmete sich H. der Alchemomedizin, chemiatr. Praxis u. Montanistik. Den Schwerpunkt bildeten theosophische Zielsetzungen. In den Bahnen eines schroffen Antihumanismus tat H. die Schulwissenschaften als ›Narristotelei‹ ab; durchaus in der Tradition eines S. Franck u. V. Weigel verfiel alles ›Mauerkirchentum‹ zugunsten einer ›Geistkirche‹ H.s Verdikt. Er stilisierte Paracelsus zum Stifter einer neuen, aus der Hl. Schrift u. dem ›Buch der Natur‹ gespeisten Religion u. fand für seine heterodoxe Theosophie die Formel »Theophrastia Sancta«. Aufschlussreiche Einblicke in H.s literar. Rüstkammer gewährt Joachim Morsius (Nuncius Olympicus Von [...] geheimen Bücheren. Philadelphia [Amsterd.] 1626. Repr. in: Gilly, 1994, S. 243-290). Reichweite u. Gewicht der handschriftl. Publizistik H.s im heterodoxen ›Untergrund‹ der frühen Neuzeit liegen im Dunkel. </br> Ein Großteil der H.schen Schriften wird von alchemoreligiösen Zielsetzungen geprägt. Sehr viele Werke sind nur dem Titel nach bekannt oder/u. in handschriftl. Überlieferungen greifbar, darunter manche Autografen. In Druck gelangten H.s Discantus. Newe Teütsche Gesang (Augsb. 1592), seine Stellungnahme zur Fama fraternitatis (Antwort An die [...] Brüderschafft der Theosophen von RosenCreutz. o. O. 1612 u. ö.), zwei Kurztraktate, veröffentlicht unter dem Namen des Paracelsus (Astronomia Olympi Novi. Theologia Cabalistica. In: Philosophia mystica. Neustadt [d. i. Ffm.] 1618) u. H.s Character Cabalisticus (In: Nucleus sophicus. Hg. Liberius Benedictus. Ffm. 1623).  
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=== Main Sources ===
=== Main Sources ===
Josef Hirn: Erzherzog Maximilian der Deutschmeister. Bd. 1, Innsbr. 1915, S. 234-243
O. Wessely: A. H. In: MGG, Bd. 5 (1956), Sp. 1768-1770
Walter Senn: A. H. Musiker, Philosoph u. ›Ketzer‹. In: FS Leonhard C. Franz. Hg. Osmund Menghin u. Hermann M. Ölberg. Innsbr. 1965, S. 329-400
Ders.: A. H. In: NDB
Carlos Gilly: ›Theophrastia Sancta‹. Der Paracelsismus als Religion im Streit mit den offiziellen Kirchen. In: Analecta Paracelsica. Hg. Joachim Telle. Stgt. 1994, S. 425-488
A. H. Der erste Verkünder der Manifeste der Rosenkreuzer. Amsterd. 1994 (grundlegend; mit Schriftenverz.)
Carlos Gilly: Cimelia Rhodostaurotica. Die Rosenkreuzer im Spiegel der zwischen 1610 u. 1660 entstandenen Hss. u. Drucke. Amst. ²1995, s. v. (mit Faksimilia).
Walter Kreyszig: A. H. In: MGG 2. Aufl. Bd. 8 (Pers.), Sp. 778 f.
Jaumann Hdb.
Roland Edighoffer: A. H. in: Dictionary of Gnosis and Western Esotericism. Hg. Wouter J. Hanegraaff. Bd. 1, Leiden 2005, S. 459-461.


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Revision as of 12:59, 19 June 2024