Gabriel Örtel (1549/50–1617)
From Theatrum Paracelsicum
Gabriel Örtel (1549/50–1617).
Vater: Franz Örtel (Sohn von Michael Örtel und Anna Riedler), Kanzleischreiber, seit 1541 Mitglied der Augsburger Kaufleutestube. Geschwister: ↗ Franz Örtel; Gottfried Örtel. Ehefrau: Jacobina Rehlinger (Tochter von Leonhard Rehlinger, Witwe von David Rehlinger; Eheschließung 1573. Weitere Verwandte: Katharina Örtel (Tochter von Aegidius Örtel aus Nürnberg; verheiratet 1583 mit Dr. med. ↗ David Wirsung).
auch: Örtl, Ortl, Ortell, Erttel
Ö. wurde 1549/in Augsburg geboren. In zweiter Ehe heiratete er 1573 in Günzburg Jacobina Rehlinger, Angehörige des Augsburger Patriziats und ebenfalls bereits verwitwet. Um 1587 beging er einen Ehebruch, für den er mit 25 Gulden bestraft wurde. Laut einem Brief von Philipp Hainhofer (1610) war Ö. unter anderem als Gießer für den bayerischen Herzog tätig («hat die 4. Keyser vnd 4. Euangelisten neben der grossen geburt Christii für J. Dht. [Ihre Durchlaucht] in Beyrn gegossen»); nach dem Bericht von Hans Ulrich Krafft (1617) war er um 1611 auch im Kunsthandel aktiv. In seinen letzten Lebensjahren litt er unter einer schmerzhaften Nierenentzündung; er starb am 4./14. April 1617 (nicht 1616) in Augsburg.
Werke:
- Bedencken von der Alchemia (Kassel, UB, 4° Ms. chem. 98; https://orka.bibliothek.uni-kassel.de/viewer/image/1553696150244/1/)
- Arzneibuch (Überlingen, Leopold Sophien Bibliothek, Ms. 156)
- in: UB Erlangen, Hs. 995
- in: HAB Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 531 Nov.
1588 erhielt ↗ Karl Widemann mehrere Texte von Ö., die dieser 1576 aus einer Handschrift ↗ Johann Kronachers kopiert hatte (Leiden, UB, VCQ 17) sowie eine Abschrift von ↗ Caspar Hartungs Von Bereitung des gebenedeiten philosophischen Steins. Ö. war in den 1570er Jahren bekannt mit ↗ David Beuther und hatte ihm 400 Gulden (vermutlich für die Überlassung von Prozessen) bezahlt und weitere 4000 Gulden für einen Prozess zur Herstellung von Eisenöl versprochen. Fünf Jahre später berichtete er in einem Brief an ↗ Kurfürst August von Sachsen von seinen Beziehungen zu Beuther und davon, dass er sich um mehrere Tausend Gulden verschuldet habe, um Beuther zu bezahlen, was ihn in Armut gestürzt habe. Von Beuthers Bruder ↗ Isaac besaß Ö. den Prozess für eine «warhaffte Tinctur».
Von 1602 bis 1605 war Ö. unter Herzog ↗ Friedrich I. von Württemberg als Laborant tätig, sein jährliches Gehalt betrug nach einem Inventarium von 1608 (Stuttgart, Hauptstaatsarchiv, Bestand A47, Bü 9/9) jährlich 400 Gulden; dem selben Inventarium zufolge wurde er laut Aussage von ↗ Johann Kandler in Zusammenhang mit einem Skandal um einen «Schottländer» entlassen. Am 26. Mai 1615 wandte Ö. sich brieflich an ↗ Landgraf Moritz von Hessen-Kassel (Kassel, UB, 2° Ms. chem. 19/I) und bot Prozesse von ↗ David Beuther an.
↗ Karl Widemann trug Ö. um 1620/25 in sein Verzeichnis spagyrischer Mediziner ein: «Gabriel vnd Frantz die Örtl, 2 Brüder. Der Frantz ist anno 1622 im novembri hier gstorben. Haben ie vnd allzeit grosse Straich fürgeben, aber guete patzete Luginen» und ergänzte nachträglich: «Der Gabriel aber [ist gestorben] anno 1617, 4/14. Aprilis, aetatis 68». Auch ↗ Benedictus Figulus urteilte über ihn «quasi in agone», wie Widemann festhielt: «Diser G[abriel] O[rtel] hatt fort glogen biss an sein endt vnd lesten Atthem». ↗ August Fürst von Anhalt erfuhr durch Widemann von solchen Vorwürfen gegen Ö. und scheint sich ihnen angeschlossen zu haben.
Ö. war bekannt mit dem Augsburger Kunstagenten Philipp Hainhofer (1578–1647) und trug sich 1605 in dessen Stammbuch ein. Der Augsburger Künstler Lucas Kilian (1579–1637) fertigte 1599 sein Kupferstich-Porträt, das ihn im Alter von 50 Jahren zeigt.
Von 1602 bis 1605 war Ö. unter Herzog ↗ Friedrich I. von Württemberg als Laborant tätig, sein jährliches Gehalt betrug nach einem Inventarium von 1608 (Stuttgart, Hauptstaatsarchiv, Bestand A47, Bü 9/9) jährlich 400 Gulden; dem selben Inventarium zufolge wurde er laut Aussage von ↗ Johann Kandler in Zusammenhang mit einem Skandal um einen «Schottländer» entlassen. Am 26. Mai 1615 wandte Ö. sich brieflich an ↗ Landgraf Moritz von Hessen-Kassel (Kassel, UB, 2° Ms. chem. 19/I) und bot Prozesse von ↗ David Beuther an.
↗ Karl Widemann trug Ö. um 1620/25 in sein Verzeichnis spagyrischer Mediziner ein: «Gabriel vnd Frantz die Örtl, 2 Brüder. Der Frantz ist anno 1622 im novembri hier gstorben. Haben ie vnd allzeit grosse Straich fürgeben, aber guete patzete Luginen» und ergänzte nachträglich: «Der Gabriel aber [ist gestorben] anno 1617, 4/14. Aprilis, aetatis 68». Auch ↗ Benedictus Figulus urteilte über ihn «quasi in agone», wie Widemann festhielt: «Diser G[abriel] O[rtel] hatt fort glogen biss an sein endt vnd lesten Atthem». ↗ August Fürst von Anhalt erfuhr durch Widemann von solchen Vorwürfen gegen Ö. und scheint sich ihnen angeschlossen zu haben.
Ö. war bekannt mit dem Augsburger Kunstagenten Philipp Hainhofer (1578–1647) und trug sich 1605 in dessen Stammbuch ein. Der Augsburger Künstler Lucas Kilian (1579–1637) fertigte 1599 sein Kupferstich-Porträt, das ihn im Alter von 50 Jahren zeigt.
Julian Paulus
Literatur:
Konrad Dieterich Haßler: Reisen und Gefangenschaft Hans Ulrich Kraffts: Aus der Originalhandschrift herausgegeben (Bibliothek des des Litterarischen Vereins in Stuttgart, 61), Stuttgart 1861, esp. p. 430-431 (Google Books) (A)
Adolf Cohn: Ein deutscher Kaufmann des sechszehnten Jahrhunderts: Hans Ulrich Krafft’s Denkwürdigkeiten, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1862, esp. p. 516-518 (Google Books) (A)
Oscar Doering: Des Augsburger Patriciers Philipp Hainhofer Beziehungen zum Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin: Correspondenzen aus den Jahren 1610–1619, Wien: Carl Graeser 1894, esp. p. 22-23 (Google Books)
Karl Sudhoff: Paracelsus-Handschriften gesammelt und besprochen (Versuch einer Kritik der Echtheit der Paracelsischen Schriften, 2), Berlin 1899, esp. p. 180-183 (Google Books) (Google Books)
Walther Pfeilsticker: Neues Württembergisches Dienerbuch, vol. 1, 3 vols., Stuttgart 1957-1974, § 1842
Viggo Lisz: Nachrichten über Anton Wilhelm Ertl, den Schöpfer des »Chur-Bairischen Atlas«, in: Ostbairische Grenzmarken 4 (1960), p. 85-89, esp. p. 87 (A)
Gerhard Eis: Eine medizinisch-alchemistische Sammelhandschrift des Augsburger Paracelsisten Gabriel Örtel [11958], in: Idem, Vor und nach Paracelsus (Medizin in Geschichte und Kultur, 8), Stuttgart 1965, p. 113-127
Petrus Cornelis Boeren: Codices Vossiani chymici (Bibliotheca Universitatis Leidensis. Codices manuscripti, 17), Leiden 1975 (online, free)
Dietlinde Goltz, Joachim Telle and Hans J. Vermeer: Der alchemistische Traktat »Von der Multiplikation« von Pseudo-Thomas von Aquin: Untersuchungen und Texte (Sudhoffs Archiv. Beihefte, 19), Wiesbaden: Franz Steiner 1977
Bruce T. Moran: The alchemical world of the German court: Occult philosophy and chemical medicine in the circle of Moritz of Hessen (1572-1632), 29, Stuttgart 1991, esp. p. 151
Julian Paulus: Alchemie und Paracelsismus um 1600: Siebzig Porträts, in: Analecta Paracelsica: Studien zum Nachleben Theophrast von Hohenheims im deutschen Kulturgebiet der frühen Neuzeit, ed. by Joachim Telle (Heidelberger Studien zur Naturkunde der frühen Neuzeit, 4), Stuttgart: Franz Steiner 1994, p. 335-386, esp. p. 372 (Academia.edu, free) (A)
Gerhard Seibold: Hainhofers »Freunde«: Das geschäftliche und private Beziehungsnetzwerk eines Augsburger Kunsthändlers und politischen Agenten in der Zeit vom Ende des 16. Jahrhunderts bis zum Ausgang des Dreißigjährigen Krieges im Spiegel seiner Stammbücher, Regensburg: Schnell + Steiner 2014, esp. p. 113
Ariane Bartkowski: Fürstliche Laborpartner in der alchemistischen Praxis: Das Netzwerk des Kurfürstenpaares August (1526-1586) und Anna (1532-1585) von Sachsen, Görlitz: Gunter Oettel [2017], esp. p. 79, 109, 110, 120-122, 309
Theatrum Paracelsicum
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Normdaten
GND: 1019764651; 1147101361
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Paulus, ‘Alchemie und Paracelsismus um 1600’, in Analecta Paracelsica (1994), 372 (Biogramm)