Paul Nagel to Arnold Kerner; 1622, September 22

From Theatrum Paracelsicum
Author: Paul Nagel
Recipient: Arnold Kerner
Date: 1622, September 22
Place: Torgau

Pages: 2
Language: German
Editor: Edited by Julian Paulus
Source: Leipzig, University Library, Ms. 0356, f. 64-65
Quote as: https://www.theatrum-paracelsicum.com/index.php?curid=7485
Abstract (ChatGPT): Paul Nagel berichtet von seiner schwierigen Lage und bittet um Unterstützung sowie um Antwort auf ein vorheriges Schreiben. Nagel erkundigt sich, ob das in seinem letzten Schreiben erwähnte Traktat vor der Messe über Nürnberg und Lübeck verschickt wurde, damit er rechtzeitig eine Rückmeldung am Markt erhält. Er weist darauf hin, dass er nach der Messe möglicherweise an diesen Orten nicht mehr erreichbar sein wird und dringend Geld benötigt.
Nagel teilt mit, dass der Rat von Torgau ihm im Auftrag des Kurfürsten am vergangenen Donnerstag den Befehl erteilt hat, binnen vier Wochen das gesamte kurfürstliche Gebiet zu verlassen und es für immer zu meiden. Die Vorwürfe, die von Priestern und Geistlichen in Wittenberg gegen ihn erhoben wurden, umfassen Schwärmerei und Ketzerei, darunter: Verführung von Frauen und Kindern sowie anderen Personen, überhebliche Wissbegierde, größer als die Gottes, papistische und enthusiastische Neigungen sowie Missachtung der göttlichen Vermittlung, Erwartung eines weltlichen Reiches Christi (chiliastische Ansichten), Hoffnung auf eine „goldene Zeit“ (ähnlich dem Schlaraffenland), Ablehnung des römischen Reiches vor dem Jüngsten Gericht.
Nagel beschreibt die schwierige Lage seiner Familie, insbesondere die Ungeduld und den Unmut seiner Frau. Er beklagt fehlende Mittel für den Wegzug und berichtet von finanziellen Problemen (er habe keine 100 Gulden, um den Forderungen nachzukommen). Der Winter und die mangelnde Unterstützung durch Freunde verschärfen seine Notlage.
Nagel sieht die Verfolgung als göttliche Fügung und erwartet, dass auch andere bald große Strafen treffen könnten.
Er bittet den Adressaten um Bericht, wenn der Empfänger des Theophrastischen Prognostikons erreicht wird. Abschließend empfiehlt er sich und seine Familie dem Schutz Gottes und bittet um Beistand in seiner schweren Situation.
Places: Nürnberg; Lübeck; Wittenberg

Edition

[f. 64r] Salutem & Amorem etc. Ehrennvester GorßAchttbarer vnndt Hochgelahrtter Herr Doctor, vielgünstiger Herr vndt lieber wehrter freunndt.

Jch will nichtt Zweiffeln, E. E. werden werden mein iungstes Briefflein bekommen habenn, drauff Jch gerne eine kleine antwortt gehabtt, insonderheitt zuverstehen, ob angedeütes Tractetlein durch die ordinar Bottschafft nach Nürnbergk vndt Lübeck hett mögen noch vor der Meß befördertt werden, damitt Jch auff den Marcktt einn anttwortt bekommen, denn Jch villeichtt vmb oder nach der Messe weitter dieser örter nichtt anzutreffen vnndt vber dieses viell geldes benötigett vnd doch nichtt habe.

Dann E. E. G. meinen Großgünstigen Herrn vndt lieben freunndt soll Jch nichtt bergen, das vergangnen donnerstag von dem Rahtt zu Torgau J[hr] Churf[üstlich] G[naden] befehlen wider mich, mir fur gehaltten vndt ernstlich bey höchster straff mir aufferlegtt binnen 4 wochen dz gantze Churf[ürstliche] Landt zu reümen, vndt dz selbe zu ewigen zeitten ferner nichtt zu betretten.

Jn dem vnser Priester, vndt die geistlichen zu Wittenberg bey J[hrer] Churf[ürstlichen] G[naden] mich aller schwermerey vndt ketzerey beschüldigett, alß:

1. Hett ich Weib vndt kindt vndt viell andere furnehmen Leütt verführett. aber mein Weib vndt Kind würden diese heilgen lügen straffen.

2. Jch woltte mehr wißen denn Gott.

3. Jch hett eine papistica woltte ein werck heiliger nitt sein.

4. Hett Enthusiastica woltte noch auff gesichtt weißagung vndt trä[u]me achtt haben, vndt ohne mittell von Gott vndt seinem H[eiligen] geiste gelehrt sein.

5. Hett Chiliastica, es soltte Christus noch ein weldlich Reich anfahen.

6. Hoffte auff eine güldenn Zeitt gleich dem schlaraffenlande

7. Dz Thier dz Röm[ische] Reich soltte fortt vor dem Jungsten Tage, die heiligen soltten allein regiren. etc. wehre derwegen ein leichtfertiger halßstarriger Schwermer, verführer. etc.

[f. 64v] Vber solchen hefftigen verfolgung nun werde Jch zwar so sehr nichtt betrübtt, alß vber der vngedultt vndt vnmuhtt meines weibes. Ob ich zwar nichtt sehe wie vndt auff wz weise Jch fortt kommen kan dann Jch wegen meiner beschwerung mich an keinen ortt begeben, mich ausmachen(?) oder eine herberge in der frömbde bestellen kan. so gehörtt gredt zum rebßen(?) vndt sprechen die Leütt ich würde wegen der führen mitt 100 fl. nichtt weg kommen, do ich nicht so viel g[roschen] habe. Kan man vber diß wegen der müntz gar nicht forttkommen. fellett vber diß der kaltt wintter ein, ist eine groé trübsall auff solche weise in die frömbde zu zihenn. Etzliche meiner gutten freunde, wie wohl der wenig seinndt, tretten vndt weichen schon von mir zurück, geben weder rahtt noch trost, sondern helffen nur immer fort schicgen, man soll fortt, aber wie oder durch wz mittel sagen sie nichtt.

Jch stecke in großer trubsall, hab also auff diß mahl E. E. meinen lieben Herrn vndt freunde solch mein + [Kreuz] vndt leidt zu verstehen geben wollen.

Bitt mich zuberichten wenn der komme welchen das Theophrastische prognosticon zustelig.

Jch haltte darfur der liebe Gott wolle mich mitt den meinen also vndt auff diese weise von disen örtten hinaus treiben denn sie gewiß im kurtzen auch vilen(?) andern großen straffen gewertig.

E. E. vntter deßen des lieben Gottes gnedigen schutz vnd schirm von Hertzenn empfehlende, der woll vns beystehen mitt seinen gnaden.

Torg[au] den 22 Sept[embris] 1622.

E. E. GA. dinstw[illiger]

Paull Nagell

[f. 65v] Dem Ehrennvesten GroßAchttbarnn vnndt Hochgelahrten Herrn Arnoldo Kernern, Philosophiae vndt Medicinae verae Doctori Excellentiss[imo] meinem Großgünstigenn Herren vnndt vornehmen lieben wehrtenn Freunnde zu Leiptzigk. Jn der Nicolstraßenn.