Georg Vetter (fl. 1574)
- not in Wikidata
- Theatrum Category: Georg Vetter
- no GND identifier: 2024-05-17
- Frühneuzeitliche Ärztebriefe des deutschsprachigen Raums (1500-1700), free
- not in World Biographical Information System
Sources
| CP2=297-300$Vetter, Georg: Angeblich ein Famulus Hohenheims in Basel (1527/28) bzw. Weggefährte Hohenheims in Österreich und Ungarn (ca. 1537/40); Informant des M. Toxites und Th. Erastus, dessen Mitteilungen über Trunksucht und Teufelsbeschwörungen Hohenheims in der frühen Paracelsus- Biographik eine wichtige Rolle spielten.
1574 lebte V. als Pfarrer in Beerfelden/Odenwald (unweit Heidelbergs; zur Herrschaft Erbach gehörig) und plante eine Schrift über Hohenheims Leben und Heilkunst (so Toxites im vorliegenden Text). Eine Mitteilung des Toxites in den Onomastica //(1574, S. 451 f.) verrät, daß V. als Pfarrer in Eberbach/am Neckar (unweit von Heidelberg) tätig war.
Nach Informationen des Toxites im vorliegenden Text hielt sich V. als Famulus Hohenheims in Basel auf, beobachtete hier ungewöhnliche Heilerfolge Hohenheims und war Zeuge des (aus anderen Zeugnissen dokumentierten) Honorarstreits zwischen Paracelsus und dem Domherrn Cornelius von Lichtenfels.
Eben im Jahr 1574 machte Toxites an Nachrichten über Hohenheims Heilkunst interessierte Leser auch in seiner Ausgabe der Paracelsischen Archidoxen (ed. Toxites, Straßburg: Ch. Müller 1574, S. 366) auf V. aufmerksam. Als V.s Wohnort gilt hier nicht Beerfelden, sondern »Eberburg/ trei meil von Heydelberg« (>Eberburg<: Übertragungsfehler für >Eberbach<), doch wird V. ein weiteres mal als Gewährsmann für ungewöhnliche Heilerfolge Hohenheims in Basel benannt: Wer die fachliche Seriosität des (pseudo-)paracelsischen Tesaurus tesaurorum alchimistarum, der Tinctura Physicorum und des Manuale De Lapide Philosophico Medicinali bestreite, möge sich von einem »ehrlichen mann zu Eberburg/ trei meil von Heydelberg/ herr Georgen Vetter/ Pfarherrn daselbst/ welcher zu Basel bei Theophrasto gewesen vnd jhm seine Curas hat verrichten helffen«, eines besseren belehren lassen.
Ein drittes Mal berief sich Toxites auf V. schließlich in den Onomastica II (ed. Toxites, Straßburg 1574). Im Zuge einer Antwort auf ungenannte Gegner, welche die wundersamen Heilkräfte eines »Laudanum « Hohenheims in Zweifel gezogen und dieses Präparat ironisch »Laudanum sanctum« genannt hatten, stützte sich Toxites zunächst auf eine Erzählung des ihm >in brüderlicher Freundschaft verbunden gewesenen J. Oporinus, dann teilte er den >Theophrastusfressera< folgendes mit (S. 451): »Viuit adhuc testis locuples, senex venerandus Georgius Veterus, qui [S. 452] adhuc hodie concionatorem agit Eberbachi in ditione comitum ab Erpach: illum accedite vos Theophrastomastigae, tribus enim tantum milliaribus ab Haidelberga distat. Is tum temporis cum Theophrasto Basileae vixit, quando nobilem Canonicum, et alios multos curauit, is medicamenta Theophrasti nomine administrauit. Si quid mentior, nolo mihi patrocinetur«.
Aufgrund der Toxitischen Mitteilungen wurde V. von Murr (1799, S. 219) an die Seite des legendären Franz und J. Oporinus gestellt, zweier Famuli, denen Paracelsus in Basel »sein Zutrauen« geschenkt habe. Ähnlich anerkannte Sudhoff in V. einen »Schüler« Hohenheims, der 1527 in Basel Paracelsische Vorlesungen besuchte (Schubert/Sudhoff, 1889, II, S. 58, 81; Sudhoff, 1894, S. 156). Als Famuli Hohenheims in Basel, wo sich Paracelsus vom März 1527 bis Ende Januar 1528 aufhielt, sind jedoch nur Ulrich Geiger (Chelius; um 1500/58; aus Pforzheim, nachmals Arzt in Solothurn und Straßburg) und J. Oporinus (1507/68) hinreichend bezeugt und sucht man in den Matrikeln der Universität Basel (ed. Wackernagel) nach V.s Namen vergeblich: Alle (zwischen Fabulat und Facta realia oszillierenden) Angaben des Toxites über V. bedürften einer Sicherung aus anderen Quellen.
Als sich Toxites auf V. berief (1574), hatte sich bereits Th. Erastus in Heidelberg spätestens 1572 (aufgrund persönlicher Begegnung?) der Kronzeugenschaft V.s in paracelsicis versichert (ohne weiterführende Angaben referiert und zitiert von Gunnoe, 2002, S. 10-12). Erastus nun wußte nichts über einen V. sehen Aufenthalt in Basel zu berichten, wohl aber, daß V. über zwei Jahre mit Paracelsus durch >Österreich, Transsylvanien und andere Gebiete< gezogen sei (wo sich Paracelsus ca. 1537 bis 1540 aufhielt). Dabei habe V. vom chirurgischen Können Hohenheims beträchtlich profitiert, aber auch erlebt, daß Paracelsus, häufig trunken, im Rausch Teufel zu bannen versuchte, und sich im übrigen nur mit Chirurgischem beschäftigt habe, nicht aber mit Theologie, Philosophie und Medizin (Leibarznei). Erastus hielt folgendes fest {De medicina nova [...] Paracelsi, Tl.2, 1572, S.2): »Nuper mihi [Erastus] vir pius, doctus, industrius, D. Georgfius] Vetterus Paracelsi amans et stusus, asseuerantissimè affirmauit, eum [Paracelsus] Magiae nefandae perquàm studiosum fuisse, et cacodaemonem haud aliter quam socium nominare consueuisse. Nihil magis, inquiebat [Vetterus}, metui, quotiens ebrius erat (erat autem frequenter) quàm vt agmina Diabolorum accerseret: quod saepenumero facere voluit (speciem artis suae editurus) sed à me rogatus omisit. Cum sobrium monerem, vt missa isthaec faceret, quòd Deum grauiter offenderei, quodque ad extremum triste Stipendium solitus esset persoluere famulis suis diabolus: respondebat [Paracelsus], se non multò post receptui cantaturum esse [... S. 3]. Toto tempore, inquit [Vetterus], quo apud ipsum vixi, neque Theologica, neque Philosophica, neque medica extra chirurgiam tractabat «.
Nach Ansicht des Erastus können Ys Informationen höchste Glaubwürdigkeit beanspruchen (De medicina nova [...] Paracelsi, ebd., S. 3): »Non potui non credere, quae mihi [Erastus] referebat, primum quidem quia pius est: deinde quia Paracelsum amabat, eique plurimum se debere profitebatur (ne fortè ex odio commemorauisse aliquid putes) vt qui librum ab eo accepisset manu eius propria exaratum iustae magnitudinis, remedia continentem, quibus in curandis vlceribus vti solebat«.
Mit Blick auf den historischen Paracelsus sind die von Erastus veröffentlichten Mitteilungen V.s mehrdeutig (siehe Gunnoe, 1998, S. 271 f.); andererseits besaßen sie eine beträchtliche Wirkung: V.s Angaben wurden beispielsweise von D. Sennert (De chymicorum cum Aristotelicis et Galenicis consensu ac dissensu liber I, Wittenberg 1619, Kap. 4, S. 70 f.), Christianus Becmanus/Beckmann (Exercitationes theologicae. In quibus De argumentis [...] Contra [...] Theophrastum Paracelsum [...] agitur, Amsterdam 1643, S. 346), Hermann Conring (De hermetica [...] medicina, Helmstedt 1648, S. 291 f.), E. D. Colberg (Das Platonisch-Hermetisches Christenthum, Tl. 1, Frankfurt/M.-Leipzig 1690, S. 182), H. Suden/d.i.E. Uhse (Der gelehrte Criticus über [...] Fragen aus der Historia Politica [...] und Literaria, Tl. 3, Leipzig 1706, S. lOlOf.), Johann Franz Budde/Buddeus ([...] Untersuchung von der Alchemie, übersetzt von F. Roth-Scholtz, in: Deutsches Theatrum Chemicum, ed. Roth-Scholtz, Tl. 1, Nürnberg 1728, S. 66) oder von J. Ch. Adelung (Tl. 7, 1789, S. 272 f.) immer wieder fortgeschleppt. In dem oft gedruckten Dictionnaire infernal von Jacques A. S. Collin de Plancy (1818 u.ö.; hier zitiert nach der Edition princeps intégrale. Introduction de Roland Villeneuve, Verviers 1973, S. 349) besaßen V.s Nachrichten schließlich folgende Gestalt: »Quand il [Paracelse] était ivre, dit Wetternus [!], qui a demeuré vingt-sept mois avec lui, il menaçait de faire venire un million de diables, pour montrer quel empire et quelle puissance il avait sur eux. Mais il ne disait pas de si grandes extravagances, quand il était à jeun«. Angesichts dieser Streuwirkung kann es wohl kein Zweifel sein, daß das frühneuzeitliche Bild vom Dämonenbündler Paracelsus durch V. maßgeblich mitgeprägt worden ist.
V. ist nicht identisch mit dem gleichnamigen protestantischen Liederdichter (geb. 1536/ gest. 1599).
Lit.: Vetter betreffende >Pfarrerbücher< oder andere Archivalien ließen sich nicht ermitteln (so die Recherchenresultate von Frau Dr. U. Schofer, Leimen/bei Heidelberg, September 2000). Sein Name findet sich u.a. nicht bei Neu (1938/39).