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Karl Sudhoff

Hohenheim im Inn- und Eisacktale, 1534

Sudhoff, Karl (1853–1938): Hohenheim im Inn- und Eisacktale, 1534. In: Janus 29 (1925), S. 166–169


[S. 166] Wir haben aus den Jahren 1533 und 1534 wenig feste Daten in Hohenheims Leben. Am Montag nach Ascensionis Domini, das wäre der 26. Mai im Jahre 1533 schloss er zu Rockenhausen oder Roggenhalm (die letzte Silbe der Ortsbezeichnung ist in den Handschriften in einem Schnörkel abgekürzt) seine Bücher zur „Coena Domini“, ab und in dem „Liber de potentia et potentia gratiae dei“ findet sich einmal eingeflossen die Bemerkung „aber itzt anno 1533“.

Er steckte also noch in theologischer Schriftstellerei drin, wenigstens in der ersten Jahreshälfte, und war wohl noch im Appenzell.

Am 8. September 1534 ist sein Vater Wilhelm in Villach verschieden. Ob der Sohn ihm die Augen zudrückte oder in der Ferne weilte, soll hier nicht untersucht werden; das letztere scheint der Fall zu sein. Die Jahrzahl 1534 findet sich auf dem Titel einer Zusammenfassung von Himmelsbeobachtungen und daraus gezogenen Schlüssen, die in die Jahre 1531 u. 1532 fallen. Ob sie 1534 zum ersten Male in Zürich erschien oder damals wieder aufgelegt war, ist noch nicht sicher festgestellt.

Nun haben wir ja aus dem Jahre 1536 den ganz bestimmten Hinweis auf einen Adligen in der Nähe von Schwaz unterhalb Hall im Inntale, auf Sigmund Füger, als Informationsquelle für Philosophia Adepta, speziel Chemisch-Alchemisches, auf einen Sigmund Füger und eine „Anzahl seiner gehaltenen Laboranten“. Sigmund Füger stammt aus einer Haller Familie, deren Mitglieder als Gewerken nach Schwaz gekommen waren, also als Kapitalisten in den damals sehr entwickelten Bergwerkswesen um dieses Innstädtlein. Das Schloss Friedberg, dessen Namen dieser Linie der Füeger als Adelsprädikat führen, der auch Sigmund angehörte, das Schloss Friedberg liegt oberhalb dem Dorfe Volders unterhalb Hall auf dem rechten Innufer, wie auch Schwaz.

[S. 167] Man nimmt bisher allgemein an, Hohenheim sei in seinen jungen Jahren im Inntale unter Insbruck, im besonderen in Schwaz beim Grafen Füeger gewesen und habe sich dort in der technischen Chemie des Verhüttungswesens Kenntnisse erworben, die noch über das hinausgingen was er in und bei Villach beim Vater Wilhelm und andern kennen gelernt hatte. Denn das Berg- und Hüttenwesen blühte damals ganz besonders im Inntale zwischen Hall und Jenbach. Und was Graf Sigmund nicht selbst wuszte, (dem wohl die kaufmännische Seite, der Berg- und Hüttenertrag und dessen Verwertung hauptsächlich oblag) das wuszten seine „gehaltenen Laboranten“, die Hohenheim einer ganz besonderen Erwähnung würdigt, über die ich aber urkundlich auch nicht die leiseste Spur zu entdecken vermochte. Doch hat gerade mit ihnen Hohenheim ganz besonders enge Beziehungen unterhalten, grade wenn er im Inntale noch gewerbshygienisch besondere Studien gemacht hat in den Jahren 1533 u. 1534, wie ich anzunehmen grund habe, mit ihnen und der Arbeiter-Belegschaft der Hütten und Gruben bei Schwaz.

Ich habe schon früher darauf hingewiesen, dass Hohenheim im Sommer 1534 im Inntale und in Insbruck selbst auftaucht und von dort über den Brenner in’s Eisacktal nach Sterzingen wanderte und über das Pensser Joch nach (Bozen und) Meran.

Es hat schon, wenn man die berühmte Stelle in 1. Kapitel des ersten Teils des dritten Traktates im 2. Buche des grossen Wundarznei genauer ansieht, mancherlei Wahrscheinlichkeiten für sich, dass ein Aufenthalt bei den Füegern in Schwaz und Umgegend nicht allzu lange vor die Niederschrift dieser Stelle im ersten Halbjahr 1536 fällt, da er seine lange Aufzählung mit der Nennung der Füeger und ihrer Laboranten beschliesst. Auch war es schon von vornherein anzunehmen, dass H. bei einem Aufenthalte in Innsbruck das nahe Schwaz nicht unbesucht gelassen habe, wenn er es von früher kannte. Es kommt aber etwas Weiteres hinzu. In diesen Jahren ist ein Werk seiner Feder fertig geworden, das bestimmt 1536 schon vorlag, das sich mit einigen Gewerbekrankheiten beschäftigt, das Buch über die Bergkrankheiten. Was liegt vermöge seiner ganzen geistigen Struktur und seiner Art zu Arbeiten näher als dass er zur Ausarbeitung alter hüttenpathologischen Konzepte geschritten ist, als er längere [S. 168] Zeit mitten unter Berg- und Hütten-Arbeitern in grosser Zahl lebte und dabei seine alten Beobachtungen nicht nur bestätigt fand sondern auch sie wesentlich zu erweitern Gelegenheit hatte. So haben ja auch seine neuen Tartarus-Beobachtungen im Veltlin und Engadin 1535 ihn zu einer letzten Ausarbeitung der Tartaruslehre geführt, die 1536 oder 1537 ihren Abschluss fand.

Von dem Buch über die Bergsucht spricht er überdies erst in den Jahren 1536 u. 37, wir kämen daher für deren Ausarbeitung und Fertigstellung mit starker Wahrscheinlichkeit in die gleichen Jahre.

Jedenfalls hatte sein Aufenthalt in Unterinntale im Frühling des Jahres 1534 sein Ende erreicht, im Juni brach die Pest aus; er war damals schon über den Brenner nach Sterzing gewandert nach kurzer Rast in Insbruck, wo er zuletzt noch keine allzufreundliche Aufnahme gefunden hatte. Bisher habe ich allerdings noch keinen Anhalt dafür gefunden dass Hohenheims rückblickender Stoszseufzer über „Gunst, Gewalt und die Hundsketten“, die ihm „zu schwer überladen waren“ etwa auch auf den Aufenthalt im Unterinntal zutreffen könnte. Da er aber von „frembden Landen“ spricht, die er „behende zu besuchen“ gezwungen war, um dem auf ihn lastenden Drucke auszuweichen, so wird man doch wohl annehmen müssen, dass dies auf seine allzuschwierige Lage in der heimatlichen Schweiz zu beziehen ist, wie ich schon immer angenommen habe. Wie lange also der Aufenthalt in den Bergwerks- und Hüttengebieten bei Schwaz gedauert hatte, bleibt noch festzustellen, aber wenn er auch nur wenige Monate gewährt haben sollte, so hat er doch genügt, ihm dort einen gründlichen Einblick in die Gesundheitsschädigungen bei Bergarbeitern und Hüttenarbeitern durch ihren Beruf erneut zu verschaffen, der sich in seinem Buche über die Bergkrankheiten wiederspiegelt.

Denn, wenn man die erhaltenen Nachrichten aus der Bergwerksgeschichte der Mitte des 16. Jahrhunderts in dieser Gegend überschaut, so findet man dort viele 10000 von Hütten- u. Bergarbeitern bei einander, die von Hall bis Jenbach zu beiden Seiten der Inns damals nicht allzuviel unter 100000 ins gesammt geblieben sein können; diese fast unvergleichliche Gelegenheit, sich über die Berufskrankheiten solcher Arbeiter-Massen zu informieren, hat Hohenheim in gründlicher Weise ausgenutzt und damit ein [S. 169] Werk zur Arbeitshygiene geschaffen, das seines Gleichen nicht besitzt, ja geradezu einen Markstein lange vor Ramazzini bedeutet.

Die Füeger waren urkundlich nicht nur um Schwaz sondern auch am Hüttenwerk im Tale des Vomperbaches und zu Jenbach beteiligt. Im März 1533 ist Sigmund Füeger durch Krankheit verhindert vor Gericht zu erscheinen, wie ich in Innsbrucker Akten über Fragen der Gewerken (Kuxbesitzer) im Unterinntal gefunden habe.

Hohenheim mag eine zeitlang auf Schloss Friedberg zu gast gewesen sein, vielleicht wegen der genannten Krankheit oder deren Folgen. Er hat sich dann fieberhaft zu Schwaz oder doch in dieser Gegend an die Arbeit gemacht und alles andere, auch die Praxis liegen lassen, wie dass so seine Art war, so dass er beim Abschluss dort in ziemlich desolaten wirtschaftlichen Verhältnissen gewesen sein mag, die er erst allmählich durch eine erneute Betätigung ärztlicher Praxis zu bessern vermochte. Hüttenärztliche Studien in der Schwazer Gegend wird man aber für 1533/34 in seinen wissenschaftlichen Lebensgang einfügen können.