Difference between revisions of "Texte/Sudhoff/Ein Rückblick auf die Paracelsus-Jahrhundertfeier (1895)"

From Theatrum Paracelsicum
(Created page with "<div style="color:#ff0000;">'''Karl Sudhoff'''</div> '''Ein Rückblick auf die Paracelsus-Jahrhundertfeier<ref name="ftn1"><span style="background-color:#00b0f0;">'''1)</span> Durch viermonatliche schwere Krankheit des Berichterstatters wurde diese Arbeit über Gebühr verzögert; sie sollte zum 17. Dez. 1894 erscheinen.'''</ref> (1895)''' <div style="margin-left:1cm;">Sudhoff, K[arl] (1853–1938): Ein Rückblick auf die Paracelsus-Jahrhundertfeier. In: Monatshefte de...")
 
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<span style="background-color:#92d050;">[S.&nbsp;115]</span> Man spottet vielfach über die Sucht unserer Zeit, Gedenktage festlich zu begehen. Das mag bei mancher Gedenkfeier vielleicht begründet sein; an Hohenheim aber hatte die deutsche Gelehrtenwelt so manches Unrecht wieder gut zu machen, welches vergangene Jahrhunderte diesem Gewaltigen angethan haben. Darum ist die Einmütigkeit freudig zu begrüssen, mit der man allenthalben bei der vierhundertjährigen Wiederkehr des Tages seiner Geburt der Grösse des Mannes nach Kräften gerecht zu werden suchte, und wenn wir an dieser Stelle seiner gedenken, so geschieht dies, weil er einer der bedeutendsten Vorläufer der Naturphilosophen des 17. Jahrhunderts gewesen ist.
{{Pagemark|pag|&nbsp;}} Man spottet vielfach über die Sucht unserer Zeit, Gedenktage festlich zu begehen. Das mag bei mancher Gedenkfeier vielleicht begründet sein; an Hohenheim aber hatte die deutsche Gelehrtenwelt so manches Unrecht wieder gut zu machen, welches vergangene Jahrhunderte diesem Gewaltigen angethan haben. Darum ist die Einmütigkeit freudig zu begrüssen, mit der man allenthalben bei der vierhundertjährigen Wiederkehr des Tages seiner Geburt der Grösse des Mannes nach Kräften gerecht zu werden suchte, und wenn wir an dieser Stelle seiner gedenken, so geschieht dies, weil er einer der bedeutendsten Vorläufer der Naturphilosophen des 17. Jahrhunderts gewesen ist.


Der Geburtstag Hohenheims steht nicht zweifellos fest. Überliefert werden der 10. November und der 17. Dezember 1493 neben manchen sicher falschen Zeitangaben, wie dies in einer Studie des Berichterstatters in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 10. November 1893 dargelegt ist, in welcher gleichzeitig zusammengefasst wird, was sich über die ersten Jugendjahre des Gefeierten Verlässliches sagen lässt.<ref name="ftn14"><span style="background-color:#00b0f0;">2)</span> Ohne Quellenangabe etwas gekürzt im „Boten der Urschweiz“, Schwyz, 29. November 1893, wieder abgedruckt.</ref>
Der Geburtstag Hohenheims steht nicht zweifellos fest. Überliefert werden der 10. November und der 17. Dezember 1493 neben manchen sicher falschen Zeitangaben, wie dies in einer Studie des Berichterstatters in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 10. November 1893 dargelegt ist, in welcher gleichzeitig zusammengefasst wird, was sich über die ersten Jugendjahre des Gefeierten Verlässliches sagen lässt.<ref name="ftn14"><span style="background-color:#00b0f0;">2)</span> Ohne Quellenangabe etwas gekürzt im „Boten der Urschweiz“, Schwyz, 29. November 1893, wieder abgedruckt.</ref>


Zur Feier selbst ist zunächst zu erwähnen, dass die beiden an Hohenheims Geburtsorte erscheinenden Kalender, der „Einsiedler Kalender“ und der „Neue Einsiedler Kalender“ für das Jahr 1893 in kurzen Mitteilungen über den grossen Vaterlandsgenossen (mit Abbildungen seines angeblichen Geburtshauses und seiner Gesichtszüge) das Erinnerungsjahr eingeleitet haben und dass am Geburtstage selbst dort eine öffentliche Feier veranstaltet wurde, bei welcher Sekundarlehrer Eduard Kälin die Festrede hielt. Diese Rede ist im Einsiedler Anzeiger (Jänner und Februar 1894) veröffentlicht worden. Ein anderer bei der gleichen Gelegenheit gehaltener Vortrag des Bezirksammann Dr. Lienhardt über die Bedeutung des Para- <span style="background-color:#92d050;">[S.&nbsp;116]</span> celsus für die Geschichte der Arzneikunde ist meines Wissens nicht im Druck erschienen.<ref name="ftn15"><span style="background-color:#00b0f0;">1)</span> Vgl. das Luzerner „Vaterland“ vom 12. Dezember 1893, die „Züricher Post“ vom selben Tage, den „March-Boten“, Lachen den 13. Dez. und die Baseler „National-Zeitung“ vom gleichen Tage 1893.</ref> Allenthalben in der deutschen Schweiz wurde Theophrastus in den Zeitungen gefeiert.<ref name="ftn16"><span style="background-color:#00b0f0;">2)</span> Siehe „Tagblatt der Stadt St. Gallen“, 12. Dez. 1893; „Wynenthaler-Blatt“, Menziken 20. Dez. 1893; „Basler Nachrichten“, 13. Dez. 1893, Beilage (von J. M.); Basler „National-Zeitung“ vom 13. Dez. und „Sonntagsblatt“ derselben Nr. 51 vom 17. Dez. 1893 (C. Steinitz); „Neue ZüricherZeitung“, 10. Dez. 1893 1. Beilage (Dr. Joachim Sperber).</ref> In Winterthur wurde der 17. Dezember feierlich begangen durch einen Festvortrag des Herrn Prof. Dr. E. Bosshard im Hörsaale des dortigen Chemiegebäudes. (Vgl. die „Züricher Post“ vom 19. Dezember 1893.) Der gehaltvolle Vortrag ist in der „Sonntagspost, Wochenbeigabe des Landboten“ abgedruckt „zum Gedächtnis des Theophrastus Paracelsus“ und giebt ein treffendes Bild von der Bedeutung des Mannes. St. Gallen, wo Paracelsus 1531 geweilt hat, bot zwar keine öffentliche Feier, aber das „Tagblatt der Stadt St. Gallen“ veröffentlichte neben der eben genannten kurzen Mitteilung in dem Feuilleton seiner Nummern vom 18. bis 22. Dezember 1893 eine längere Abhandlung aus der Feder Gottfried Kesslers über die St. Galler Episode im Leben des grossen Arztes, welche sich jedoch im wesentlichen auf eine Abschrift der betreffenden Abschnitte in Schubert und Sudhoffs ParacelsusForschungen beschränkt, ohne die Quelle zu nennen; beigefügt ist nur die Sage vom Stadtpfeifer Stücheler nach Kohlrusch’s Schweizerischem Sagenbuch.
Zur Feier selbst ist zunächst zu erwähnen, dass die beiden an Hohenheims Geburtsorte erscheinenden Kalender, der „Einsiedler Kalender“ und der „Neue Einsiedler Kalender“ für das Jahr 1893 in kurzen Mitteilungen über den grossen Vaterlandsgenossen (mit Abbildungen seines angeblichen Geburtshauses und seiner Gesichtszüge) das Erinnerungsjahr eingeleitet haben und dass am Geburtstage selbst dort eine öffentliche Feier veranstaltet wurde, bei welcher Sekundarlehrer Eduard Kälin die Festrede hielt. Diese Rede ist im Einsiedler Anzeiger (Jänner und Februar 1894) veröffentlicht worden. Ein anderer bei der gleichen Gelegenheit gehaltener Vortrag des Bezirksammann Dr. Lienhardt über die Bedeutung des Para- {{Pagemark|pag|&nbsp;}} celsus für die Geschichte der Arzneikunde ist meines Wissens nicht im Druck erschienen.<ref name="ftn15"><span style="background-color:#00b0f0;">1)</span> Vgl. das Luzerner „Vaterland“ vom 12. Dezember 1893, die „Züricher Post“ vom selben Tage, den „March-Boten“, Lachen den 13. Dez. und die Baseler „National-Zeitung“ vom gleichen Tage 1893.</ref> Allenthalben in der deutschen Schweiz wurde Theophrastus in den Zeitungen gefeiert.<ref name="ftn16"><span style="background-color:#00b0f0;">2)</span> Siehe „Tagblatt der Stadt St. Gallen“, 12. Dez. 1893; „Wynenthaler-Blatt“, Menziken 20. Dez. 1893; „Basler Nachrichten“, 13. Dez. 1893, Beilage (von J. M.); Basler „National-Zeitung“ vom 13. Dez. und „Sonntagsblatt“ derselben Nr. 51 vom 17. Dez. 1893 (C. Steinitz); „Neue ZüricherZeitung“, 10. Dez. 1893 1. Beilage (Dr. Joachim Sperber).</ref> In Winterthur wurde der 17. Dezember feierlich begangen durch einen Festvortrag des Herrn Prof. Dr. E. Bosshard im Hörsaale des dortigen Chemiegebäudes. (Vgl. die „Züricher Post“ vom 19. Dezember 1893.) Der gehaltvolle Vortrag ist in der „Sonntagspost, Wochenbeigabe des Landboten“ abgedruckt „zum Gedächtnis des Theophrastus Paracelsus“ und giebt ein treffendes Bild von der Bedeutung des Mannes. St. Gallen, wo Paracelsus 1531 geweilt hat, bot zwar keine öffentliche Feier, aber das „Tagblatt der Stadt St. Gallen“ veröffentlichte neben der eben genannten kurzen Mitteilung in dem Feuilleton seiner Nummern vom 18. bis 22. Dezember 1893 eine längere Abhandlung aus der Feder Gottfried Kesslers über die St. Galler Episode im Leben des grossen Arztes, welche sich jedoch im wesentlichen auf eine Abschrift der betreffenden Abschnitte in Schubert und Sudhoffs ParacelsusForschungen beschränkt, ohne die Quelle zu nennen; beigefügt ist nur die Sage vom Stadtpfeifer Stücheler nach Kohlrusch’s Schweizerischem Sagenbuch.


Hervorragend gefeiert wurde das Andenken des Weisen von Einsiedeln in der Stadt der Schweiz, wo er zugleich die grössten Ehren und die heftigsten Anfechtungen erlebt hat, in Basel. Im dortigen Stadttheater wurde das von Nationalrat Theodor Curti zum vierhundertjährigen Jubiläum geschriebene Trauerspiel „Paracelsus“<ref name="ftn17"><span style="background-color:#00b0f0;">3)</span> Zürich, Verlags-Magazin (J. Schabelitz) 1894. 86 S. 8°.</ref> zur Aufführung gebracht und errang einen Achtungserfolg. Es spielt im Jahre 1527 und behandelt Hohenheims Baseler Erlebnisse, an welche sich frei erfunden sein tragisches Ende direkt anschliesst. Die Gestalt des Reformators ist mit Liebe gezeichnet, aber von der Grösse der Auffassung eines Robert Browning weit entfernt<ref name="ftn18"><span style="background-color:#00b0f0;">4)</span> Vgl. dessen Poetical Works, London 1883, Vol. I. p. 45—205.</ref>, ohne dafür viel bühnengerechter geworden zu sein.<ref name="ftn19"><span style="background-color:#00b0f0;">5)</span> Kritiken in den „Baseler Nachrichten“ v. 17. Dez. 1. Beilage; in dem Feuilleton der Baseler „National-Zeitung“ vom selben Tage und vom 22. Dez. von Dr. Widmann nach dem Berner „Bund“; „Züricher Post“ vom 17. und St. Galler „Tagblatt“ vom 22. Dez. 1893.</ref> — Einen vollen Erfolg bedeutete die Rede Prof. G. W. A. Kahlbaums, gehalten im Bernoullianum, welche in durchaus bedeutender Weise an der Stelle seines Wirkens als Universitätsprofessor und Stadtarzt Zeugnis ablegt von der Grösse des lange verkannten Mannes — eine späte, aber <span style="background-color:#92d050;">[S.&nbsp;117]</span> gründliche Rechtfertigung gegenüber den vielen Verunglimpfungen, welche die Baseler Lästerchronik auf den Mann gehäuft hatte. Ich stehe nicht an, diesen Vortrag „gehalten zu Ehren Theophrastus von Hohenheim“<ref name="ftn20"><span style="background-color:#00b0f0;">1)</span> Verlag von Benno Schwabe, Basel 1894, 70 S. 8°; besprochen in der Baseler National-Zeitung vom 22. Dezember 1893.</ref> als die schönste Gabe zu bezeichnen, welche uns die Jahrhundertfeier gebracht hat. Die rauhkantige Persönlichkeit ist mit Liebe und vollem Verständnis erfasst und ohne alle Schminke gezeichnet. Dass gerade die Baseler Episode des Hohenheim’schen Lebens besonders eingehend und treffend geschildert ist, brachte der Ort der Rede mit sich, auch verdient gerade diese Sonnenwende seines Lebens vorzüglich die Beachtung des Biographen ; das Schicksal hatte bis dahin den Arzt schaffensfroh in aufsteigender Bahn der Sonne entgegen getragen, um ihn nun nach jähem Umschwung in den Winter des Elends zu stossen. Das Verhängnisvolle der Baseler Katastrophe liegt nicht allein in der gewaltsamen Beendigung seiner Lehrthätigkeit, welche den stetigen Ausbau seines Lehrgebäudes für immer unterbrach: sein ganzes Leben ist von da an ein harter, zweckloser Kampf mit den Widerwärtigkeiten seiner Lage, der die Kraft des Mannes vergeudete. Diese Baseler Zeit Hohenheims, Höhe und Wendepunkt seines Erdenlaufes, ist nirgends noch so kurz und treffend ins Licht gestellt worden wie bei Kahlbaum. Das Verhältnis zu den Brüdern Amerbach, Basilius und Bonifacius, ist selbständig aufgeklärt und aus der Amerbach’schen Briefsammlung der Beweis erbracht, dass Theophrastus im März 1527 in Neuenburg weilte und schon damals (von Basel her) mit den Brüdern in Freundschaftsverkehr stand.
Hervorragend gefeiert wurde das Andenken des Weisen von Einsiedeln in der Stadt der Schweiz, wo er zugleich die grössten Ehren und die heftigsten Anfechtungen erlebt hat, in Basel. Im dortigen Stadttheater wurde das von Nationalrat Theodor Curti zum vierhundertjährigen Jubiläum geschriebene Trauerspiel „Paracelsus“<ref name="ftn17"><span style="background-color:#00b0f0;">3)</span> Zürich, Verlags-Magazin (J. Schabelitz) 1894. 86 S. 8°.</ref> zur Aufführung gebracht und errang einen Achtungserfolg. Es spielt im Jahre 1527 und behandelt Hohenheims Baseler Erlebnisse, an welche sich frei erfunden sein tragisches Ende direkt anschliesst. Die Gestalt des Reformators ist mit Liebe gezeichnet, aber von der Grösse der Auffassung eines Robert Browning weit entfernt<ref name="ftn18"><span style="background-color:#00b0f0;">4)</span> Vgl. dessen Poetical Works, London 1883, Vol. I. p. 45—205.</ref>, ohne dafür viel bühnengerechter geworden zu sein.<ref name="ftn19"><span style="background-color:#00b0f0;">5)</span> Kritiken in den „Baseler Nachrichten“ v. 17. Dez. 1. Beilage; in dem Feuilleton der Baseler „National-Zeitung“ vom selben Tage und vom 22. Dez. von Dr. Widmann nach dem Berner „Bund“; „Züricher Post“ vom 17. und St. Galler „Tagblatt“ vom 22. Dez. 1893.</ref> — Einen vollen Erfolg bedeutete die Rede Prof. G. W. A. Kahlbaums, gehalten im Bernoullianum, welche in durchaus bedeutender Weise an der Stelle seines Wirkens als Universitätsprofessor und Stadtarzt Zeugnis ablegt von der Grösse des lange verkannten Mannes — eine späte, aber {{Pagemark|pag|&nbsp;}} gründliche Rechtfertigung gegenüber den vielen Verunglimpfungen, welche die Baseler Lästerchronik auf den Mann gehäuft hatte. Ich stehe nicht an, diesen Vortrag „gehalten zu Ehren Theophrastus von Hohenheim“<ref name="ftn20"><span style="background-color:#00b0f0;">1)</span> Verlag von Benno Schwabe, Basel 1894, 70 S. 8°; besprochen in der Baseler National-Zeitung vom 22. Dezember 1893.</ref> als die schönste Gabe zu bezeichnen, welche uns die Jahrhundertfeier gebracht hat. Die rauhkantige Persönlichkeit ist mit Liebe und vollem Verständnis erfasst und ohne alle Schminke gezeichnet. Dass gerade die Baseler Episode des Hohenheim’schen Lebens besonders eingehend und treffend geschildert ist, brachte der Ort der Rede mit sich, auch verdient gerade diese Sonnenwende seines Lebens vorzüglich die Beachtung des Biographen ; das Schicksal hatte bis dahin den Arzt schaffensfroh in aufsteigender Bahn der Sonne entgegen getragen, um ihn nun nach jähem Umschwung in den Winter des Elends zu stossen. Das Verhängnisvolle der Baseler Katastrophe liegt nicht allein in der gewaltsamen Beendigung seiner Lehrthätigkeit, welche den stetigen Ausbau seines Lehrgebäudes für immer unterbrach: sein ganzes Leben ist von da an ein harter, zweckloser Kampf mit den Widerwärtigkeiten seiner Lage, der die Kraft des Mannes vergeudete. Diese Baseler Zeit Hohenheims, Höhe und Wendepunkt seines Erdenlaufes, ist nirgends noch so kurz und treffend ins Licht gestellt worden wie bei Kahlbaum. Das Verhältnis zu den Brüdern Amerbach, Basilius und Bonifacius, ist selbständig aufgeklärt und aus der Amerbach’schen Briefsammlung der Beweis erbracht, dass Theophrastus im März 1527 in Neuenburg weilte und schon damals (von Basel her) mit den Brüdern in Freundschaftsverkehr stand.


Dass man auch am Todesorte Hohenheims, in Salzburg, wo im städtischen Museum seit langen Jahren liebevoll alles für ihn Wichtige zusammengetragen wird, wo Aberle im Verein mit Dr. Petter Jahrzehnte lang eingehend über Paracelsus gearbeitet hat, dass man dort den 400 jähr. Geburtstag nicht ungefeiert lassen werde, war zweifellos. So hielt denn die Gesellschaft für Salzburger Landeskunde am 14. Dezember 1893 eine feierliche Festsitzung, bei welcher Dr. Alexander Petter in Wort und Bild den grossen Toten lebendig werden liess. Am 16. Dezember sprach Dr. Alexander Nicoladoni aus Linz im „Oesterreichischen Hof“ zu Salzburg in öffentlichem Vortrag über Hohenheim. Seit langer Zeit hat sich Nicoladoni mit Paracelsus beschäftigt, was in seiner Rede<ref name="ftn21"><span style="background-color:#00b0f0;">2)</span> Abgedruckt in der „Linzer Tagespost“ 1893 Nr. 290—293 und 1894 Nr. 1—3.</ref> allenthalben zu spüren ist. Aus dem Wust der Überlieferung schält er heraus einen ernsten deutschen Gelehrten, wenn auch Parteimann durch und durch, der reinste Typus seiner vielbewegten Zeit. Namentlich die Bemerkungen des Redners über Hohenheims allgemeine philosophische Anschauungen und sein Verhältnis zur Religion in den Kämpfen seiner Tage sind aller <span style="background-color:#92d050;">[S.&nbsp;118]</span> Beachtung wert. — Mit einer stillen weihevollen Feier am Grabe des Gewaltigen (17. Dezember) schlossen die Salzburger Paracelsustage.<ref name="ftn22"><span style="background-color:#00b0f0;">1)</span> Vgl. den Bericht des Freiherrn von Doblhoff im Berner „Bund“ vom 24. Dezember 1893 und den Festartikel nach Adolf Warneck im Feuilleton der „Salzburger Zeitung“ vom 16. u. 18. Dezember 1893.</ref>
Dass man auch am Todesorte Hohenheims, in Salzburg, wo im städtischen Museum seit langen Jahren liebevoll alles für ihn Wichtige zusammengetragen wird, wo Aberle im Verein mit Dr. Petter Jahrzehnte lang eingehend über Paracelsus gearbeitet hat, dass man dort den 400 jähr. Geburtstag nicht ungefeiert lassen werde, war zweifellos. So hielt denn die Gesellschaft für Salzburger Landeskunde am 14. Dezember 1893 eine feierliche Festsitzung, bei welcher Dr. Alexander Petter in Wort und Bild den grossen Toten lebendig werden liess. Am 16. Dezember sprach Dr. Alexander Nicoladoni aus Linz im „Oesterreichischen Hof“ zu Salzburg in öffentlichem Vortrag über Hohenheim. Seit langer Zeit hat sich Nicoladoni mit Paracelsus beschäftigt, was in seiner Rede<ref name="ftn21"><span style="background-color:#00b0f0;">2)</span> Abgedruckt in der „Linzer Tagespost“ 1893 Nr. 290—293 und 1894 Nr. 1—3.</ref> allenthalben zu spüren ist. Aus dem Wust der Überlieferung schält er heraus einen ernsten deutschen Gelehrten, wenn auch Parteimann durch und durch, der reinste Typus seiner vielbewegten Zeit. Namentlich die Bemerkungen des Redners über Hohenheims allgemeine philosophische Anschauungen und sein Verhältnis zur Religion in den Kämpfen seiner Tage sind aller {{Pagemark|pag|&nbsp;}} Beachtung wert. — Mit einer stillen weihevollen Feier am Grabe des Gewaltigen (17. Dezember) schlossen die Salzburger Paracelsustage.<ref name="ftn22"><span style="background-color:#00b0f0;">1)</span> Vgl. den Bericht des Freiherrn von Doblhoff im Berner „Bund“ vom 24. Dezember 1893 und den Festartikel nach Adolf Warneck im Feuilleton der „Salzburger Zeitung“ vom 16. u. 18. Dezember 1893.</ref>


Auch im übrigen Österreich hat man es nicht ganz vergessen, dass Hohenheim dort geweilt hat. So berichtet J. S. (Ignaz Schwarz) im „Neuen Wiener Tagblatt“ vom 7. Dezember 1893 über „Paracelsus in Oesterreich“. Aus derselben Feder brachte der „Pester Lloyd“ im Morgenblatt vom 26. November 1893 einen Artikel „Paracelsus in Ungarn“. Hohenheim erzählt selbst, dass er Ungarn, die Wallachei, Siebenbürgen, Krabaten (Croatien) durchwandert habe; aus Griechisch-Weissenburg (Belgrad) berichtet er eine therapeutische Beobachtung. •—• Einen längeren trefflichen Aufsatz über Paracelsus liess- der durch Studien aus der Geschichte der Chemie wohlbekannte Prof. Dr. A. Bauer im Feuilleton der „Wiener Zeitung“ vom 12., 13. und 14. Dezember 1893 erscheinen, worin er neben der Schilderung des Lebensganges namentlich die Grundgedanken seines philosophischen, chemischen und medizinischen Lehrgebäudes zur Darstellung bringt und den Vielgeschmähten von manchem ungerechten Vorwurf freispricht.<ref name="ftn23"><span style="background-color:#00b0f0;">2)</span> Vgl. auch die Mitteilung Prof. Pischmanns in der „Neuen freien Pressé“ vom 23. Nov. 1893.</ref>
Auch im übrigen Österreich hat man es nicht ganz vergessen, dass Hohenheim dort geweilt hat. So berichtet J. S. (Ignaz Schwarz) im „Neuen Wiener Tagblatt“ vom 7. Dezember 1893 über „Paracelsus in Oesterreich“. Aus derselben Feder brachte der „Pester Lloyd“ im Morgenblatt vom 26. November 1893 einen Artikel „Paracelsus in Ungarn“. Hohenheim erzählt selbst, dass er Ungarn, die Wallachei, Siebenbürgen, Krabaten (Croatien) durchwandert habe; aus Griechisch-Weissenburg (Belgrad) berichtet er eine therapeutische Beobachtung. •—• Einen längeren trefflichen Aufsatz über Paracelsus liess- der durch Studien aus der Geschichte der Chemie wohlbekannte Prof. Dr. A. Bauer im Feuilleton der „Wiener Zeitung“ vom 12., 13. und 14. Dezember 1893 erscheinen, worin er neben der Schilderung des Lebensganges namentlich die Grundgedanken seines philosophischen, chemischen und medizinischen Lehrgebäudes zur Darstellung bringt und den Vielgeschmähten von manchem ungerechten Vorwurf freispricht.<ref name="ftn23"><span style="background-color:#00b0f0;">2)</span> Vgl. auch die Mitteilung Prof. Pischmanns in der „Neuen freien Pressé“ vom 23. Nov. 1893.</ref>
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Was die übrige deutsche Tageslitteratur über ihn gebracht hat, werde ich nur kurz erwähnen.
Was die übrige deutsche Tageslitteratur über ihn gebracht hat, werde ich nur kurz erwähnen.


In ihrer Nummer vom 9. Dezember 1893 brachte die Leipziger „Illustrirte Zeitung“ einen Aufsatz von Dr. Adolf Kohut, der zwar manche alte Unrichtigkeiten weiter verbreitet, aber doch dem Theophrastus gerecht zu werden sucht; ein Bild nach Odieuvres Stich ist beigegeben, besitzt aber keinerlei Authenticität. Reich mit guten Abbildungen seiner Geburtsstätte, seines Wohnhauses in Esslingen und Salzburg, seines Grabmales und seiner Gesichtszüge ausgestattet, ist die Arbeit des Historikers des Occultismus Karl Kiesewetter in „Ueber Land und Meer“, 1893/94, Nr. 11, aber leider nicht frei von falschen Überlieferungen. Unbekannt mit manchen neueren Untersuchungen giebt Kiesewetter die Lebensschilderung mehrfach in recht wirrer Gestalt. N. J. Hartmann schreibt im ganzen richtig über Hohenheim in der „Illustrirten Welt“ (1894, Nr. 13), welche zum Teil dieselben Abbildungen bietet, welche sich in der „Katholischen Warte“ (März 1894) finden, begleitet von einem den neuesten <span style="background-color:#92d050;">[S.&nbsp;119]</span> Forschungen gerecht werdenden Texte von Ludwig Heilmayer. Eine ausführliche Würdigung hat dem grossen Manne zuteil werden lassen Dr. Ludwig Karell in der Zeitschrift „Vom Fels zum Meer“ (Heft 4, 1893/94, S. 332—338 mit Abbildungen der verschiedenen überlieferten Typen paracelsischer Gesichtszüge nach Aberle, des Vaters Wilhelm von Hohenheim und des Grabmals). Die Arbeit ist gut geschrieben unter allseitiger Benutzung der neueren Litteratur; manchmal wäre aber doch etwas mehr Kritik zu wünschen. — In der „Hygieia, Monatsschrift für hygieinische Aufklärung und Reform“ (7. Jahrgang, Heft 3) bespricht der Herausgeber Dr. Carl Gerster Theophrastus Paracelsus als Vorläufer der hygieinischen Reformbewegung und entwirft durch reiche Citate aus Hohenheims Schriften ein anmutendes Bild des Reformators. Unter dem Pseudonym Caius lässt sich in der gleichen Zeitschrift (Heft 5, Februar 1894) ein warmer Verehrer des Arztes von Einsiedeln vernehmen unter allerhand Seitenhieben auf heutige Zustände. — R. J. H.[artmann?] schildert uns in der Berliner National-Zeitung (Sonntagsbeilage Nr. 51 vom 17. Dezember 1894) Hohenheim als echten deutschen Mann und Meister der deutschen Sprache; diese Meisterschaft hat sich noch immer nicht zur Anerkennung bei den Germanisten durchringen können, trotzdem neben Luther und Sebastian Franck kaum einer aus damaliger Zeit zu nennen wäre, welcher unsere Muttersprache gleich markig, gedankenreich und zu Herzen dringend zu handhaben wusste, wie Hohenheim. Verfasser weist dies an zahlreichen gutgewählten Beispielen nach. — Den religiösen Standpunkt Theophrast’s und seine Stellung zur Reformation hat R. Julius Hartmann eingehend dargelegt in den Blättern für württembergische Kirchengeschichte (Beilage zum Evangelischen Kirchenblatt für Württemberg) Nr. 1 bis 4, Januar bis Mai 1894. Es ist dies der erste ernstlich ausgeführte Versuch, dem grossen durchaus selbständigen Geiste des Mannes auch auf diesem Gebiete gerecht zu werden. Ein schmachvolles Unterfangen früherer Zeit hatte den tiefreligiösen Mann, der seinem Gottesglauben allenthalben beredten Ausdruck giebt, als Atheisten darzustellen gewagt. Freilich sind seine Ansichten teilweise recht radikaler Natur, doch nicht minder von echt christlichem Geiste durchweht. Ebenso läppisch ist der Vorwurf des Arianismus, den man schon sehr früh gegen ihn erhob; unter irgend eine Schablone suchte man stets den Mann zu pressen, der in keine passt, weil er auf eigenen Füssen stand über allen Parteien. So ist denn seine Stellung zu der reformatorischen Bewegung seiner Zeit durchaus selbständig und eigentümlich, wie Hartmann mit Recht betont; Hohenheim wurde darum von allen Seiten als Ketzer betrachtet, von Rom sowohl als von den führenden Männern der Gegenpartei; Pfaffen und Prediger waren ihm feind, klein gewiss nur die Zahl seiner gleichgesinnten „amici et sodales“. Anfangs war er der neuen Glaubensbewegung geneigt, aber um 1532 ging eine entschiedene <span style="background-color:#92d050;">[S.&nbsp;120]</span> Wendung in seinen Anschauungen vor sich; der Papst, Luther, Zwingli, das Täufertum, alle schienen ihm gleichermassen von Christi Lehre abgewichen. Das hat auch Hartmann richtig erkannt und dargelegt. Die Schrift allein war Hohenheim die Richtschnur seiner religiösen Anschauungen; der Glaube allein macht selig, aber nur der ist der rechte, der Werke der Liebe erzeugt. Alles vorhandene Material zur Beurteilung von Hohenheims religiösen Ansichten hat Hartmann trefflich benutzt und man wird heute kaum erheblichere Bedenken gegen seine Ausführungen erheben können. Ob sich freilich alle seine Aufstellungen werden halten lassen, wenn einmal das grosse Material der theologischen Paracelsushandschriften zur Prüfung offenliegt, steht dahin. — In der Wochenschrift „Die Nation“ vom 23. Dezember 1893 schreibt Kurd Lasswitz einen gehaltvollen Aufsatz über die Bedeutung des Paracelsus in der Geschichte der Chemie. „Fort mit der Autorität, zurück zur Natur, aus dem Bücherkram hinaus ins Freie“, das war sein Leitmotiv, dadurch hat er in Praxis und Theorie neue Wege erschlossen. Den Kernpunkt dessen, was Hohenheim für die Naturerkenntnis geleistet hat, für die Möglichkeit einer messenden und wägenden Erforschung der Natur, findet Lasswitz in seiner Reform der Lehre von den Elementen. Dieses begrenzte aber typische Gebiet erörtert er sodann des Näheren in vorzüglicher Weise, wie es von dem Verfasser der Geschichte der Atomistik nicht anders zu erwarten war. Zum Schluss betont er noch mit vollem Rechte, dass man Hohenheims Bedeutung für die Geschichte der Chemie lange deshalb verkannt habe, weil man ihn als einen Nachfolger des Basilius Valentinus betrachtete, während die Sache sich gerade umgekehrt verhält. Die Basilianischen Schriften sind erst ein Jahrhundert nach Paracelsus verfasst, wie das Referent schon 1887 betont hat. Valentinus arbeitet vollständig mit Paracelsischen Gedankenreihen; praktisch ist er viel weiter vorgeschritten, theoretisch aber bedeutet er einen Rückschritt gegen Paracelsus. — Dr. Jul. Leopold Pagel gab in der „Deutschen Medicinischen Wochenschrift“, Nr. 50 vom 14. Dezember 1893 zu Ehren Hohenheims eine Schilderung des Ganges der Paracelsus-Forschung in den letzten Jahrzehnten, welche in den wohl noch lange Zeit der Erfüllung harrenden Wunsch nach einer neuen kritischen Ausgabe der Werke Hohenheims ausklingt. — Von medicinischen Gesichtspunkten aus — einschaltend sei hier besonders darauf hingewiesen, dass unsere grossen medicinischen Zeitschriften nur ganz ausnahmsweise Artikel zur Paracelsusfeier gebracht haben — hat Dr. Max Neuburger in Wien den Einsiedler-Arzt in zwei Aufsätzen gefeiert: „Die Persönlichkeit des Paracelsus“ („Medicinisch-Chirurgisches Central-Blatt“, Nr. 50 vom 15. Dezember 1893) und „Paracelsus und Vesalius. Zwei Typen“ („Internationale Klinische Rundschau“, Nr. 50, Wien, 10. Dezember 1893). Seine Schriften sollen zwar jedes actuellen Interesses entbehren, aber wenn man den Mann selbst aus seiner <span style="background-color:#92d050;">[S.&nbsp;121]</span> Zeit heraus betrachtet, wird man ihn hochschätzen als einen durch und durch originären Forscher von Faust’schem Typus, als einen Menschen von ausgesprochenster Individualität. Heute sind auch in der Medicin der Individualität enge Schranken gezogen; früher waren es gerade die persönlichen Eigenschaften, welche die Grösse des Arztes ausmachten; aus solchen grossen Persönlichkeiten besteht hauptsächlich die Geschichte der Heilkunde; der grössten eine war die des Paracelsus, an der alles eigentümlich ist. Seine innere und äussere Revolution gegen den überlebten Galenismus, sein eigenes Neuschaffen wird von Neuburger mit eindringenden Worten kurz geschildert, ebenso seine Anlehnung an den naturphilosophischen Neuplatonismus, das Deutsche in Form und Inhalt seiner Schriften, seine Wahrhaftigkeit, die ihm allenthalben Feinde erweckte, seine hohe Auffassung vom Berufe des Arztes, die Missachtung der Anatomie, welche ihm die Feindschaft der medicinischen Philologie, den Hass der Anatomen eintrug. Weil alles an ihm Persönlichkeit war, besteht seine Schule nur aus kleinen Geistern, welche die Lehren des Mannes verballhornten. Dass seine Beurteilung so verschieden ausfiel, kann nach dem allen nicht wundernehmen. Von einer allseitigen gerechten Beurteilung des „selten begabten und ganz ungewöhnlichen“ Mannes, sind wir auch heute noch weit entfernt. — Die Parallele zwischen Paracelsus und Vesalius, die Zeitgenossen waren, wenn Vesal’s grosses Werk auch erst zwei Jahre nach Hohenheim’s Tode erschien, ist gleichfalls geistvoll geschrieben; beide sind Vertreter der medicinischen Renaissance und zweifellos die grössten derselben. In Paracelsus bewundert er mehr den Revolutionär der That, dessen aufs grosse Ganze gerichteter Geist im einzelnen wenig Bleibendes geschaffen und Einzelarbeit verachtet habe. Er, der Vater der physiologischen Chemie, richtete nur auf das Allgemeine der chemischen Vorgänge sein Auge und vernachlässigte (zum Teil allerdings nur scheinbar) die Thätigkeit der einzelnen Organe. Nur der lebende Organismus war ihm Gegenstand des Studiums; die Anatomie liess er nur zu sehr als nebensächlich ausser Acht. Und doch bereitete sich zu semer Zeit das Werk vor, welches seinen Verfasser Vesal mit unsterblichem Ruhm bedeckte, die Schrift „De Corporis humani fabrica“, welche der anatomischen Autorität des Galen den Todesstoss versetzte, ein ewig gültiges Muster angestrengtester Detailarbeit zum grossen allgemeinen Zweck der Erforschung der Lebensvorgänge. Was Paracelsus durch geniale Intuition im Vorausblick über die Arbeit von Jahrhunderten zu erreichen sucht, will Vesalius durch folgerichtigen Aufbau von Einzelarbeit auf Einzelarbeit langsam erschliessen; so sind sie beide leuchtende Vorbilder zweier Forschungsrichtungen im Entwicklungsgange der Geschichte der Menschheit. — Das Verdienst, Hohenheim auch von pharmaceutischer Seite ein Denkblatt gestiftet zu haben, gehört Dr. Hans Heger in Wien, welcher in der von ihm herausgegebenen „Pharmaceutischen Post“ <span style="background-color:#92d050;">[S.&nbsp;122]</span> (Nr. 48 und 51 vom 26. November und 17. Dezember 1893, mit Bild des Paracelsus und des Grabmals) den Lebensgang und die Anschauungen Hohenheims darlegt. Vor allem ist er dadurch, dass er die Alchemie auf die Darstellung neuer Arzneistoffe hinwies und die Gewinnung wirksamer Präparate auf chemischem Wege lehrte, der Vater der pharmaceutischen Chemie geworden.
In ihrer Nummer vom 9. Dezember 1893 brachte die Leipziger „Illustrirte Zeitung“ einen Aufsatz von Dr. Adolf Kohut, der zwar manche alte Unrichtigkeiten weiter verbreitet, aber doch dem Theophrastus gerecht zu werden sucht; ein Bild nach Odieuvres Stich ist beigegeben, besitzt aber keinerlei Authenticität. Reich mit guten Abbildungen seiner Geburtsstätte, seines Wohnhauses in Esslingen und Salzburg, seines Grabmales und seiner Gesichtszüge ausgestattet, ist die Arbeit des Historikers des Occultismus Karl Kiesewetter in „Ueber Land und Meer“, 1893/94, Nr. 11, aber leider nicht frei von falschen Überlieferungen. Unbekannt mit manchen neueren Untersuchungen giebt Kiesewetter die Lebensschilderung mehrfach in recht wirrer Gestalt. N. J. Hartmann schreibt im ganzen richtig über Hohenheim in der „Illustrirten Welt“ (1894, Nr. 13), welche zum Teil dieselben Abbildungen bietet, welche sich in der „Katholischen Warte“ (März 1894) finden, begleitet von einem den neuesten {{Pagemark|pag|&nbsp;}} Forschungen gerecht werdenden Texte von Ludwig Heilmayer. Eine ausführliche Würdigung hat dem grossen Manne zuteil werden lassen Dr. Ludwig Karell in der Zeitschrift „Vom Fels zum Meer“ (Heft 4, 1893/94, S. 332—338 mit Abbildungen der verschiedenen überlieferten Typen paracelsischer Gesichtszüge nach Aberle, des Vaters Wilhelm von Hohenheim und des Grabmals). Die Arbeit ist gut geschrieben unter allseitiger Benutzung der neueren Litteratur; manchmal wäre aber doch etwas mehr Kritik zu wünschen. — In der „Hygieia, Monatsschrift für hygieinische Aufklärung und Reform“ (7. Jahrgang, Heft 3) bespricht der Herausgeber Dr. Carl Gerster Theophrastus Paracelsus als Vorläufer der hygieinischen Reformbewegung und entwirft durch reiche Citate aus Hohenheims Schriften ein anmutendes Bild des Reformators. Unter dem Pseudonym Caius lässt sich in der gleichen Zeitschrift (Heft 5, Februar 1894) ein warmer Verehrer des Arztes von Einsiedeln vernehmen unter allerhand Seitenhieben auf heutige Zustände. — R. J. H.[artmann?] schildert uns in der Berliner National-Zeitung (Sonntagsbeilage Nr. 51 vom 17. Dezember 1894) Hohenheim als echten deutschen Mann und Meister der deutschen Sprache; diese Meisterschaft hat sich noch immer nicht zur Anerkennung bei den Germanisten durchringen können, trotzdem neben Luther und Sebastian Franck kaum einer aus damaliger Zeit zu nennen wäre, welcher unsere Muttersprache gleich markig, gedankenreich und zu Herzen dringend zu handhaben wusste, wie Hohenheim. Verfasser weist dies an zahlreichen gutgewählten Beispielen nach. — Den religiösen Standpunkt Theophrast’s und seine Stellung zur Reformation hat R. Julius Hartmann eingehend dargelegt in den Blättern für württembergische Kirchengeschichte (Beilage zum Evangelischen Kirchenblatt für Württemberg) Nr. 1 bis 4, Januar bis Mai 1894. Es ist dies der erste ernstlich ausgeführte Versuch, dem grossen durchaus selbständigen Geiste des Mannes auch auf diesem Gebiete gerecht zu werden. Ein schmachvolles Unterfangen früherer Zeit hatte den tiefreligiösen Mann, der seinem Gottesglauben allenthalben beredten Ausdruck giebt, als Atheisten darzustellen gewagt. Freilich sind seine Ansichten teilweise recht radikaler Natur, doch nicht minder von echt christlichem Geiste durchweht. Ebenso läppisch ist der Vorwurf des Arianismus, den man schon sehr früh gegen ihn erhob; unter irgend eine Schablone suchte man stets den Mann zu pressen, der in keine passt, weil er auf eigenen Füssen stand über allen Parteien. So ist denn seine Stellung zu der reformatorischen Bewegung seiner Zeit durchaus selbständig und eigentümlich, wie Hartmann mit Recht betont; Hohenheim wurde darum von allen Seiten als Ketzer betrachtet, von Rom sowohl als von den führenden Männern der Gegenpartei; Pfaffen und Prediger waren ihm feind, klein gewiss nur die Zahl seiner gleichgesinnten „amici et sodales“. Anfangs war er der neuen Glaubensbewegung geneigt, aber um 1532 ging eine entschiedene {{Pagemark|pag|&nbsp;}} Wendung in seinen Anschauungen vor sich; der Papst, Luther, Zwingli, das Täufertum, alle schienen ihm gleichermassen von Christi Lehre abgewichen. Das hat auch Hartmann richtig erkannt und dargelegt. Die Schrift allein war Hohenheim die Richtschnur seiner religiösen Anschauungen; der Glaube allein macht selig, aber nur der ist der rechte, der Werke der Liebe erzeugt. Alles vorhandene Material zur Beurteilung von Hohenheims religiösen Ansichten hat Hartmann trefflich benutzt und man wird heute kaum erheblichere Bedenken gegen seine Ausführungen erheben können. Ob sich freilich alle seine Aufstellungen werden halten lassen, wenn einmal das grosse Material der theologischen Paracelsushandschriften zur Prüfung offenliegt, steht dahin. — In der Wochenschrift „Die Nation“ vom 23. Dezember 1893 schreibt Kurd Lasswitz einen gehaltvollen Aufsatz über die Bedeutung des Paracelsus in der Geschichte der Chemie. „Fort mit der Autorität, zurück zur Natur, aus dem Bücherkram hinaus ins Freie“, das war sein Leitmotiv, dadurch hat er in Praxis und Theorie neue Wege erschlossen. Den Kernpunkt dessen, was Hohenheim für die Naturerkenntnis geleistet hat, für die Möglichkeit einer messenden und wägenden Erforschung der Natur, findet Lasswitz in seiner Reform der Lehre von den Elementen. Dieses begrenzte aber typische Gebiet erörtert er sodann des Näheren in vorzüglicher Weise, wie es von dem Verfasser der Geschichte der Atomistik nicht anders zu erwarten war. Zum Schluss betont er noch mit vollem Rechte, dass man Hohenheims Bedeutung für die Geschichte der Chemie lange deshalb verkannt habe, weil man ihn als einen Nachfolger des Basilius Valentinus betrachtete, während die Sache sich gerade umgekehrt verhält. Die Basilianischen Schriften sind erst ein Jahrhundert nach Paracelsus verfasst, wie das Referent schon 1887 betont hat. Valentinus arbeitet vollständig mit Paracelsischen Gedankenreihen; praktisch ist er viel weiter vorgeschritten, theoretisch aber bedeutet er einen Rückschritt gegen Paracelsus. — Dr. Jul. Leopold Pagel gab in der „Deutschen Medicinischen Wochenschrift“, Nr. 50 vom 14. Dezember 1893 zu Ehren Hohenheims eine Schilderung des Ganges der Paracelsus-Forschung in den letzten Jahrzehnten, welche in den wohl noch lange Zeit der Erfüllung harrenden Wunsch nach einer neuen kritischen Ausgabe der Werke Hohenheims ausklingt. — Von medicinischen Gesichtspunkten aus — einschaltend sei hier besonders darauf hingewiesen, dass unsere grossen medicinischen Zeitschriften nur ganz ausnahmsweise Artikel zur Paracelsusfeier gebracht haben — hat Dr. Max Neuburger in Wien den Einsiedler-Arzt in zwei Aufsätzen gefeiert: „Die Persönlichkeit des Paracelsus“ („Medicinisch-Chirurgisches Central-Blatt“, Nr. 50 vom 15. Dezember 1893) und „Paracelsus und Vesalius. Zwei Typen“ („Internationale Klinische Rundschau“, Nr. 50, Wien, 10. Dezember 1893). Seine Schriften sollen zwar jedes actuellen Interesses entbehren, aber wenn man den Mann selbst aus seiner {{Pagemark|pag|&nbsp;}} Zeit heraus betrachtet, wird man ihn hochschätzen als einen durch und durch originären Forscher von Faust’schem Typus, als einen Menschen von ausgesprochenster Individualität. Heute sind auch in der Medicin der Individualität enge Schranken gezogen; früher waren es gerade die persönlichen Eigenschaften, welche die Grösse des Arztes ausmachten; aus solchen grossen Persönlichkeiten besteht hauptsächlich die Geschichte der Heilkunde; der grössten eine war die des Paracelsus, an der alles eigentümlich ist. Seine innere und äussere Revolution gegen den überlebten Galenismus, sein eigenes Neuschaffen wird von Neuburger mit eindringenden Worten kurz geschildert, ebenso seine Anlehnung an den naturphilosophischen Neuplatonismus, das Deutsche in Form und Inhalt seiner Schriften, seine Wahrhaftigkeit, die ihm allenthalben Feinde erweckte, seine hohe Auffassung vom Berufe des Arztes, die Missachtung der Anatomie, welche ihm die Feindschaft der medicinischen Philologie, den Hass der Anatomen eintrug. Weil alles an ihm Persönlichkeit war, besteht seine Schule nur aus kleinen Geistern, welche die Lehren des Mannes verballhornten. Dass seine Beurteilung so verschieden ausfiel, kann nach dem allen nicht wundernehmen. Von einer allseitigen gerechten Beurteilung des „selten begabten und ganz ungewöhnlichen“ Mannes, sind wir auch heute noch weit entfernt. — Die Parallele zwischen Paracelsus und Vesalius, die Zeitgenossen waren, wenn Vesal’s grosses Werk auch erst zwei Jahre nach Hohenheim’s Tode erschien, ist gleichfalls geistvoll geschrieben; beide sind Vertreter der medicinischen Renaissance und zweifellos die grössten derselben. In Paracelsus bewundert er mehr den Revolutionär der That, dessen aufs grosse Ganze gerichteter Geist im einzelnen wenig Bleibendes geschaffen und Einzelarbeit verachtet habe. Er, der Vater der physiologischen Chemie, richtete nur auf das Allgemeine der chemischen Vorgänge sein Auge und vernachlässigte (zum Teil allerdings nur scheinbar) die Thätigkeit der einzelnen Organe. Nur der lebende Organismus war ihm Gegenstand des Studiums; die Anatomie liess er nur zu sehr als nebensächlich ausser Acht. Und doch bereitete sich zu semer Zeit das Werk vor, welches seinen Verfasser Vesal mit unsterblichem Ruhm bedeckte, die Schrift „De Corporis humani fabrica“, welche der anatomischen Autorität des Galen den Todesstoss versetzte, ein ewig gültiges Muster angestrengtester Detailarbeit zum grossen allgemeinen Zweck der Erforschung der Lebensvorgänge. Was Paracelsus durch geniale Intuition im Vorausblick über die Arbeit von Jahrhunderten zu erreichen sucht, will Vesalius durch folgerichtigen Aufbau von Einzelarbeit auf Einzelarbeit langsam erschliessen; so sind sie beide leuchtende Vorbilder zweier Forschungsrichtungen im Entwicklungsgange der Geschichte der Menschheit. — Das Verdienst, Hohenheim auch von pharmaceutischer Seite ein Denkblatt gestiftet zu haben, gehört Dr. Hans Heger in Wien, welcher in der von ihm herausgegebenen „Pharmaceutischen Post“ {{Pagemark|pag|&nbsp;}} (Nr. 48 und 51 vom 26. November und 17. Dezember 1893, mit Bild des Paracelsus und des Grabmals) den Lebensgang und die Anschauungen Hohenheims darlegt. Vor allem ist er dadurch, dass er die Alchemie auf die Darstellung neuer Arzneistoffe hinwies und die Gewinnung wirksamer Präparate auf chemischem Wege lehrte, der Vater der pharmaceutischen Chemie geworden.


Auch in den „Annales de l’Electro-Homéopathie de l’institut electro-homéopathique de Genève, Août 1894“ finden wir einen hierher gehörigen Artikel des Herausgebers A. Sauter, welcher Hohenheim als Vorläufer Hahnemanns, der Naturheilmethode und der Elektrohomöopathie in Anspruch nimmt. Eine gelungene Nachbildung des Tintoretto’schen Bildes Hohenheims (nach der Genfer Folio-Ausgabe von 1658) ist beigegeben.<ref name="ftn24"><span style="background-color:#00b0f0;">1)</span> Ein Kurhaus, welches derselben Gesellschaft für Electrohomöopathie angehört, in der Nähe Genfs gelegen, führt den Namen „Villa Paracelsia“.</ref> — Paracelsus als Parteigänger der östlichen Theosophie bildet das Thema eines „Gedenkblattes“ in den „Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde“, Band XXXIV, verfasst von dem eifrigen Apostel dieser Lehre, Franz Hartmann<ref name="ftn25"><span style="background-color:#00b0f0;">2)</span> Gesondert erschienen unter dem Titel „Theophrastus Paracelsus als Mystiker“, Leipzig, Wilhelm Friedrich 1894, 55 S. 8° mit einer Nachbildung des A. Dürer zugeschriebenen Paracelsusbildnisses in Lichtdruck.</ref>. Ein Teil von Hohenheims mystischen Anschauungen soll mit denen des Sankararharya und anderer indischer Weisen des Altertums identisch sein; vornehmlich wird die indische Lehre von den sieben Principien auseinandergesetzt und durch Parallelstellen aus Hohenheims Schriften als auch bei ihm vorhanden nachzuweisen gesucht, wovon in Wahrheit nicht die Rede sein kann, wenn auch 3 Principien 4 Elemente die schöne Zahl 7 ergiebt.
Auch in den „Annales de l’Electro-Homéopathie de l’institut electro-homéopathique de Genève, Août 1894“ finden wir einen hierher gehörigen Artikel des Herausgebers A. Sauter, welcher Hohenheim als Vorläufer Hahnemanns, der Naturheilmethode und der Elektrohomöopathie in Anspruch nimmt. Eine gelungene Nachbildung des Tintoretto’schen Bildes Hohenheims (nach der Genfer Folio-Ausgabe von 1658) ist beigegeben.<ref name="ftn24"><span style="background-color:#00b0f0;">1)</span> Ein Kurhaus, welches derselben Gesellschaft für Electrohomöopathie angehört, in der Nähe Genfs gelegen, führt den Namen „Villa Paracelsia“.</ref> — Paracelsus als Parteigänger der östlichen Theosophie bildet das Thema eines „Gedenkblattes“ in den „Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde“, Band XXXIV, verfasst von dem eifrigen Apostel dieser Lehre, Franz Hartmann<ref name="ftn25"><span style="background-color:#00b0f0;">2)</span> Gesondert erschienen unter dem Titel „Theophrastus Paracelsus als Mystiker“, Leipzig, Wilhelm Friedrich 1894, 55 S. 8° mit einer Nachbildung des A. Dürer zugeschriebenen Paracelsusbildnisses in Lichtdruck.</ref>. Ein Teil von Hohenheims mystischen Anschauungen soll mit denen des Sankararharya und anderer indischer Weisen des Altertums identisch sein; vornehmlich wird die indische Lehre von den sieben Principien auseinandergesetzt und durch Parallelstellen aus Hohenheims Schriften als auch bei ihm vorhanden nachzuweisen gesucht, wovon in Wahrheit nicht die Rede sein kann, wenn auch 3 Principien 4 Elemente die schöne Zahl 7 ergiebt.

Revision as of 07:59, 14 June 2024

Karl Sudhoff

Ein Rückblick auf die Paracelsus-Jahrhundertfeier[1] (1895)

Sudhoff, K[arl] (1853–1938): Ein Rückblick auf die Paracelsus-Jahrhundertfeier. In: Monatshefte der Comenius-Gesellschaft (Berlin/Münster) 4 (1895), S. 115–122.


[p.  ] Man spottet vielfach über die Sucht unserer Zeit, Gedenktage festlich zu begehen. Das mag bei mancher Gedenkfeier vielleicht begründet sein; an Hohenheim aber hatte die deutsche Gelehrtenwelt so manches Unrecht wieder gut zu machen, welches vergangene Jahrhunderte diesem Gewaltigen angethan haben. Darum ist die Einmütigkeit freudig zu begrüssen, mit der man allenthalben bei der vierhundertjährigen Wiederkehr des Tages seiner Geburt der Grösse des Mannes nach Kräften gerecht zu werden suchte, und wenn wir an dieser Stelle seiner gedenken, so geschieht dies, weil er einer der bedeutendsten Vorläufer der Naturphilosophen des 17. Jahrhunderts gewesen ist.

Der Geburtstag Hohenheims steht nicht zweifellos fest. Überliefert werden der 10. November und der 17. Dezember 1493 neben manchen sicher falschen Zeitangaben, wie dies in einer Studie des Berichterstatters in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 10. November 1893 dargelegt ist, in welcher gleichzeitig zusammengefasst wird, was sich über die ersten Jugendjahre des Gefeierten Verlässliches sagen lässt.[2]

Zur Feier selbst ist zunächst zu erwähnen, dass die beiden an Hohenheims Geburtsorte erscheinenden Kalender, der „Einsiedler Kalender“ und der „Neue Einsiedler Kalender“ für das Jahr 1893 in kurzen Mitteilungen über den grossen Vaterlandsgenossen (mit Abbildungen seines angeblichen Geburtshauses und seiner Gesichtszüge) das Erinnerungsjahr eingeleitet haben und dass am Geburtstage selbst dort eine öffentliche Feier veranstaltet wurde, bei welcher Sekundarlehrer Eduard Kälin die Festrede hielt. Diese Rede ist im Einsiedler Anzeiger (Jänner und Februar 1894) veröffentlicht worden. Ein anderer bei der gleichen Gelegenheit gehaltener Vortrag des Bezirksammann Dr. Lienhardt über die Bedeutung des Para- [p.  ] celsus für die Geschichte der Arzneikunde ist meines Wissens nicht im Druck erschienen.[3] Allenthalben in der deutschen Schweiz wurde Theophrastus in den Zeitungen gefeiert.[4] In Winterthur wurde der 17. Dezember feierlich begangen durch einen Festvortrag des Herrn Prof. Dr. E. Bosshard im Hörsaale des dortigen Chemiegebäudes. (Vgl. die „Züricher Post“ vom 19. Dezember 1893.) Der gehaltvolle Vortrag ist in der „Sonntagspost, Wochenbeigabe des Landboten“ abgedruckt „zum Gedächtnis des Theophrastus Paracelsus“ und giebt ein treffendes Bild von der Bedeutung des Mannes. St. Gallen, wo Paracelsus 1531 geweilt hat, bot zwar keine öffentliche Feier, aber das „Tagblatt der Stadt St. Gallen“ veröffentlichte neben der eben genannten kurzen Mitteilung in dem Feuilleton seiner Nummern vom 18. bis 22. Dezember 1893 eine längere Abhandlung aus der Feder Gottfried Kesslers über die St. Galler Episode im Leben des grossen Arztes, welche sich jedoch im wesentlichen auf eine Abschrift der betreffenden Abschnitte in Schubert und Sudhoffs ParacelsusForschungen beschränkt, ohne die Quelle zu nennen; beigefügt ist nur die Sage vom Stadtpfeifer Stücheler nach Kohlrusch’s Schweizerischem Sagenbuch.

Hervorragend gefeiert wurde das Andenken des Weisen von Einsiedeln in der Stadt der Schweiz, wo er zugleich die grössten Ehren und die heftigsten Anfechtungen erlebt hat, in Basel. Im dortigen Stadttheater wurde das von Nationalrat Theodor Curti zum vierhundertjährigen Jubiläum geschriebene Trauerspiel „Paracelsus“[5] zur Aufführung gebracht und errang einen Achtungserfolg. Es spielt im Jahre 1527 und behandelt Hohenheims Baseler Erlebnisse, an welche sich frei erfunden sein tragisches Ende direkt anschliesst. Die Gestalt des Reformators ist mit Liebe gezeichnet, aber von der Grösse der Auffassung eines Robert Browning weit entfernt[6], ohne dafür viel bühnengerechter geworden zu sein.[7] — Einen vollen Erfolg bedeutete die Rede Prof. G. W. A. Kahlbaums, gehalten im Bernoullianum, welche in durchaus bedeutender Weise an der Stelle seines Wirkens als Universitätsprofessor und Stadtarzt Zeugnis ablegt von der Grösse des lange verkannten Mannes — eine späte, aber [p.  ] gründliche Rechtfertigung gegenüber den vielen Verunglimpfungen, welche die Baseler Lästerchronik auf den Mann gehäuft hatte. Ich stehe nicht an, diesen Vortrag „gehalten zu Ehren Theophrastus von Hohenheim“[8] als die schönste Gabe zu bezeichnen, welche uns die Jahrhundertfeier gebracht hat. Die rauhkantige Persönlichkeit ist mit Liebe und vollem Verständnis erfasst und ohne alle Schminke gezeichnet. Dass gerade die Baseler Episode des Hohenheim’schen Lebens besonders eingehend und treffend geschildert ist, brachte der Ort der Rede mit sich, auch verdient gerade diese Sonnenwende seines Lebens vorzüglich die Beachtung des Biographen ; das Schicksal hatte bis dahin den Arzt schaffensfroh in aufsteigender Bahn der Sonne entgegen getragen, um ihn nun nach jähem Umschwung in den Winter des Elends zu stossen. Das Verhängnisvolle der Baseler Katastrophe liegt nicht allein in der gewaltsamen Beendigung seiner Lehrthätigkeit, welche den stetigen Ausbau seines Lehrgebäudes für immer unterbrach: sein ganzes Leben ist von da an ein harter, zweckloser Kampf mit den Widerwärtigkeiten seiner Lage, der die Kraft des Mannes vergeudete. Diese Baseler Zeit Hohenheims, Höhe und Wendepunkt seines Erdenlaufes, ist nirgends noch so kurz und treffend ins Licht gestellt worden wie bei Kahlbaum. Das Verhältnis zu den Brüdern Amerbach, Basilius und Bonifacius, ist selbständig aufgeklärt und aus der Amerbach’schen Briefsammlung der Beweis erbracht, dass Theophrastus im März 1527 in Neuenburg weilte und schon damals (von Basel her) mit den Brüdern in Freundschaftsverkehr stand.

Dass man auch am Todesorte Hohenheims, in Salzburg, wo im städtischen Museum seit langen Jahren liebevoll alles für ihn Wichtige zusammengetragen wird, wo Aberle im Verein mit Dr. Petter Jahrzehnte lang eingehend über Paracelsus gearbeitet hat, dass man dort den 400 jähr. Geburtstag nicht ungefeiert lassen werde, war zweifellos. So hielt denn die Gesellschaft für Salzburger Landeskunde am 14. Dezember 1893 eine feierliche Festsitzung, bei welcher Dr. Alexander Petter in Wort und Bild den grossen Toten lebendig werden liess. Am 16. Dezember sprach Dr. Alexander Nicoladoni aus Linz im „Oesterreichischen Hof“ zu Salzburg in öffentlichem Vortrag über Hohenheim. Seit langer Zeit hat sich Nicoladoni mit Paracelsus beschäftigt, was in seiner Rede[9] allenthalben zu spüren ist. Aus dem Wust der Überlieferung schält er heraus einen ernsten deutschen Gelehrten, wenn auch Parteimann durch und durch, der reinste Typus seiner vielbewegten Zeit. Namentlich die Bemerkungen des Redners über Hohenheims allgemeine philosophische Anschauungen und sein Verhältnis zur Religion in den Kämpfen seiner Tage sind aller [p.  ] Beachtung wert. — Mit einer stillen weihevollen Feier am Grabe des Gewaltigen (17. Dezember) schlossen die Salzburger Paracelsustage.[10]

Auch im übrigen Österreich hat man es nicht ganz vergessen, dass Hohenheim dort geweilt hat. So berichtet J. S. (Ignaz Schwarz) im „Neuen Wiener Tagblatt“ vom 7. Dezember 1893 über „Paracelsus in Oesterreich“. Aus derselben Feder brachte der „Pester Lloyd“ im Morgenblatt vom 26. November 1893 einen Artikel „Paracelsus in Ungarn“. Hohenheim erzählt selbst, dass er Ungarn, die Wallachei, Siebenbürgen, Krabaten (Croatien) durchwandert habe; aus Griechisch-Weissenburg (Belgrad) berichtet er eine therapeutische Beobachtung. •—• Einen längeren trefflichen Aufsatz über Paracelsus liess- der durch Studien aus der Geschichte der Chemie wohlbekannte Prof. Dr. A. Bauer im Feuilleton der „Wiener Zeitung“ vom 12., 13. und 14. Dezember 1893 erscheinen, worin er neben der Schilderung des Lebensganges namentlich die Grundgedanken seines philosophischen, chemischen und medizinischen Lehrgebäudes zur Darstellung bringt und den Vielgeschmähten von manchem ungerechten Vorwurf freispricht.[11]

Die schwäbische Heimat des Geschlechtes der Bombaste von Hohenheim hat wenigstens in der Mittwochbeilage der schwäbischen Chronik des schwäbischen Merkurs vom 13. Dezember 1893 zum Gedächtnisse des Paracelsus das Wort ergriffen und sein Lob ausgesprochen auf Grund recht wackerer Studien.

Was die übrige deutsche Tageslitteratur über ihn gebracht hat, werde ich nur kurz erwähnen.

In ihrer Nummer vom 9. Dezember 1893 brachte die Leipziger „Illustrirte Zeitung“ einen Aufsatz von Dr. Adolf Kohut, der zwar manche alte Unrichtigkeiten weiter verbreitet, aber doch dem Theophrastus gerecht zu werden sucht; ein Bild nach Odieuvres Stich ist beigegeben, besitzt aber keinerlei Authenticität. Reich mit guten Abbildungen seiner Geburtsstätte, seines Wohnhauses in Esslingen und Salzburg, seines Grabmales und seiner Gesichtszüge ausgestattet, ist die Arbeit des Historikers des Occultismus Karl Kiesewetter in „Ueber Land und Meer“, 1893/94, Nr. 11, aber leider nicht frei von falschen Überlieferungen. Unbekannt mit manchen neueren Untersuchungen giebt Kiesewetter die Lebensschilderung mehrfach in recht wirrer Gestalt. N. J. Hartmann schreibt im ganzen richtig über Hohenheim in der „Illustrirten Welt“ (1894, Nr. 13), welche zum Teil dieselben Abbildungen bietet, welche sich in der „Katholischen Warte“ (März 1894) finden, begleitet von einem den neuesten [p.  ] Forschungen gerecht werdenden Texte von Ludwig Heilmayer. Eine ausführliche Würdigung hat dem grossen Manne zuteil werden lassen Dr. Ludwig Karell in der Zeitschrift „Vom Fels zum Meer“ (Heft 4, 1893/94, S. 332—338 mit Abbildungen der verschiedenen überlieferten Typen paracelsischer Gesichtszüge nach Aberle, des Vaters Wilhelm von Hohenheim und des Grabmals). Die Arbeit ist gut geschrieben unter allseitiger Benutzung der neueren Litteratur; manchmal wäre aber doch etwas mehr Kritik zu wünschen. — In der „Hygieia, Monatsschrift für hygieinische Aufklärung und Reform“ (7. Jahrgang, Heft 3) bespricht der Herausgeber Dr. Carl Gerster Theophrastus Paracelsus als Vorläufer der hygieinischen Reformbewegung und entwirft durch reiche Citate aus Hohenheims Schriften ein anmutendes Bild des Reformators. Unter dem Pseudonym Caius lässt sich in der gleichen Zeitschrift (Heft 5, Februar 1894) ein warmer Verehrer des Arztes von Einsiedeln vernehmen unter allerhand Seitenhieben auf heutige Zustände. — R. J. H.[artmann?] schildert uns in der Berliner National-Zeitung (Sonntagsbeilage Nr. 51 vom 17. Dezember 1894) Hohenheim als echten deutschen Mann und Meister der deutschen Sprache; diese Meisterschaft hat sich noch immer nicht zur Anerkennung bei den Germanisten durchringen können, trotzdem neben Luther und Sebastian Franck kaum einer aus damaliger Zeit zu nennen wäre, welcher unsere Muttersprache gleich markig, gedankenreich und zu Herzen dringend zu handhaben wusste, wie Hohenheim. Verfasser weist dies an zahlreichen gutgewählten Beispielen nach. — Den religiösen Standpunkt Theophrast’s und seine Stellung zur Reformation hat R. Julius Hartmann eingehend dargelegt in den Blättern für württembergische Kirchengeschichte (Beilage zum Evangelischen Kirchenblatt für Württemberg) Nr. 1 bis 4, Januar bis Mai 1894. Es ist dies der erste ernstlich ausgeführte Versuch, dem grossen durchaus selbständigen Geiste des Mannes auch auf diesem Gebiete gerecht zu werden. Ein schmachvolles Unterfangen früherer Zeit hatte den tiefreligiösen Mann, der seinem Gottesglauben allenthalben beredten Ausdruck giebt, als Atheisten darzustellen gewagt. Freilich sind seine Ansichten teilweise recht radikaler Natur, doch nicht minder von echt christlichem Geiste durchweht. Ebenso läppisch ist der Vorwurf des Arianismus, den man schon sehr früh gegen ihn erhob; unter irgend eine Schablone suchte man stets den Mann zu pressen, der in keine passt, weil er auf eigenen Füssen stand über allen Parteien. So ist denn seine Stellung zu der reformatorischen Bewegung seiner Zeit durchaus selbständig und eigentümlich, wie Hartmann mit Recht betont; Hohenheim wurde darum von allen Seiten als Ketzer betrachtet, von Rom sowohl als von den führenden Männern der Gegenpartei; Pfaffen und Prediger waren ihm feind, klein gewiss nur die Zahl seiner gleichgesinnten „amici et sodales“. Anfangs war er der neuen Glaubensbewegung geneigt, aber um 1532 ging eine entschiedene [p.  ] Wendung in seinen Anschauungen vor sich; der Papst, Luther, Zwingli, das Täufertum, alle schienen ihm gleichermassen von Christi Lehre abgewichen. Das hat auch Hartmann richtig erkannt und dargelegt. Die Schrift allein war Hohenheim die Richtschnur seiner religiösen Anschauungen; der Glaube allein macht selig, aber nur der ist der rechte, der Werke der Liebe erzeugt. Alles vorhandene Material zur Beurteilung von Hohenheims religiösen Ansichten hat Hartmann trefflich benutzt und man wird heute kaum erheblichere Bedenken gegen seine Ausführungen erheben können. Ob sich freilich alle seine Aufstellungen werden halten lassen, wenn einmal das grosse Material der theologischen Paracelsushandschriften zur Prüfung offenliegt, steht dahin. — In der Wochenschrift „Die Nation“ vom 23. Dezember 1893 schreibt Kurd Lasswitz einen gehaltvollen Aufsatz über die Bedeutung des Paracelsus in der Geschichte der Chemie. „Fort mit der Autorität, zurück zur Natur, aus dem Bücherkram hinaus ins Freie“, das war sein Leitmotiv, dadurch hat er in Praxis und Theorie neue Wege erschlossen. Den Kernpunkt dessen, was Hohenheim für die Naturerkenntnis geleistet hat, für die Möglichkeit einer messenden und wägenden Erforschung der Natur, findet Lasswitz in seiner Reform der Lehre von den Elementen. Dieses begrenzte aber typische Gebiet erörtert er sodann des Näheren in vorzüglicher Weise, wie es von dem Verfasser der Geschichte der Atomistik nicht anders zu erwarten war. Zum Schluss betont er noch mit vollem Rechte, dass man Hohenheims Bedeutung für die Geschichte der Chemie lange deshalb verkannt habe, weil man ihn als einen Nachfolger des Basilius Valentinus betrachtete, während die Sache sich gerade umgekehrt verhält. Die Basilianischen Schriften sind erst ein Jahrhundert nach Paracelsus verfasst, wie das Referent schon 1887 betont hat. Valentinus arbeitet vollständig mit Paracelsischen Gedankenreihen; praktisch ist er viel weiter vorgeschritten, theoretisch aber bedeutet er einen Rückschritt gegen Paracelsus. — Dr. Jul. Leopold Pagel gab in der „Deutschen Medicinischen Wochenschrift“, Nr. 50 vom 14. Dezember 1893 zu Ehren Hohenheims eine Schilderung des Ganges der Paracelsus-Forschung in den letzten Jahrzehnten, welche in den wohl noch lange Zeit der Erfüllung harrenden Wunsch nach einer neuen kritischen Ausgabe der Werke Hohenheims ausklingt. — Von medicinischen Gesichtspunkten aus — einschaltend sei hier besonders darauf hingewiesen, dass unsere grossen medicinischen Zeitschriften nur ganz ausnahmsweise Artikel zur Paracelsusfeier gebracht haben — hat Dr. Max Neuburger in Wien den Einsiedler-Arzt in zwei Aufsätzen gefeiert: „Die Persönlichkeit des Paracelsus“ („Medicinisch-Chirurgisches Central-Blatt“, Nr. 50 vom 15. Dezember 1893) und „Paracelsus und Vesalius. Zwei Typen“ („Internationale Klinische Rundschau“, Nr. 50, Wien, 10. Dezember 1893). Seine Schriften sollen zwar jedes actuellen Interesses entbehren, aber wenn man den Mann selbst aus seiner [p.  ] Zeit heraus betrachtet, wird man ihn hochschätzen als einen durch und durch originären Forscher von Faust’schem Typus, als einen Menschen von ausgesprochenster Individualität. Heute sind auch in der Medicin der Individualität enge Schranken gezogen; früher waren es gerade die persönlichen Eigenschaften, welche die Grösse des Arztes ausmachten; aus solchen grossen Persönlichkeiten besteht hauptsächlich die Geschichte der Heilkunde; der grössten eine war die des Paracelsus, an der alles eigentümlich ist. Seine innere und äussere Revolution gegen den überlebten Galenismus, sein eigenes Neuschaffen wird von Neuburger mit eindringenden Worten kurz geschildert, ebenso seine Anlehnung an den naturphilosophischen Neuplatonismus, das Deutsche in Form und Inhalt seiner Schriften, seine Wahrhaftigkeit, die ihm allenthalben Feinde erweckte, seine hohe Auffassung vom Berufe des Arztes, die Missachtung der Anatomie, welche ihm die Feindschaft der medicinischen Philologie, den Hass der Anatomen eintrug. Weil alles an ihm Persönlichkeit war, besteht seine Schule nur aus kleinen Geistern, welche die Lehren des Mannes verballhornten. Dass seine Beurteilung so verschieden ausfiel, kann nach dem allen nicht wundernehmen. Von einer allseitigen gerechten Beurteilung des „selten begabten und ganz ungewöhnlichen“ Mannes, sind wir auch heute noch weit entfernt. — Die Parallele zwischen Paracelsus und Vesalius, die Zeitgenossen waren, wenn Vesal’s grosses Werk auch erst zwei Jahre nach Hohenheim’s Tode erschien, ist gleichfalls geistvoll geschrieben; beide sind Vertreter der medicinischen Renaissance und zweifellos die grössten derselben. In Paracelsus bewundert er mehr den Revolutionär der That, dessen aufs grosse Ganze gerichteter Geist im einzelnen wenig Bleibendes geschaffen und Einzelarbeit verachtet habe. Er, der Vater der physiologischen Chemie, richtete nur auf das Allgemeine der chemischen Vorgänge sein Auge und vernachlässigte (zum Teil allerdings nur scheinbar) die Thätigkeit der einzelnen Organe. Nur der lebende Organismus war ihm Gegenstand des Studiums; die Anatomie liess er nur zu sehr als nebensächlich ausser Acht. Und doch bereitete sich zu semer Zeit das Werk vor, welches seinen Verfasser Vesal mit unsterblichem Ruhm bedeckte, die Schrift „De Corporis humani fabrica“, welche der anatomischen Autorität des Galen den Todesstoss versetzte, ein ewig gültiges Muster angestrengtester Detailarbeit zum grossen allgemeinen Zweck der Erforschung der Lebensvorgänge. Was Paracelsus durch geniale Intuition im Vorausblick über die Arbeit von Jahrhunderten zu erreichen sucht, will Vesalius durch folgerichtigen Aufbau von Einzelarbeit auf Einzelarbeit langsam erschliessen; so sind sie beide leuchtende Vorbilder zweier Forschungsrichtungen im Entwicklungsgange der Geschichte der Menschheit. — Das Verdienst, Hohenheim auch von pharmaceutischer Seite ein Denkblatt gestiftet zu haben, gehört Dr. Hans Heger in Wien, welcher in der von ihm herausgegebenen „Pharmaceutischen Post“ [p.  ] (Nr. 48 und 51 vom 26. November und 17. Dezember 1893, mit Bild des Paracelsus und des Grabmals) den Lebensgang und die Anschauungen Hohenheims darlegt. Vor allem ist er dadurch, dass er die Alchemie auf die Darstellung neuer Arzneistoffe hinwies und die Gewinnung wirksamer Präparate auf chemischem Wege lehrte, der Vater der pharmaceutischen Chemie geworden.

Auch in den „Annales de l’Electro-Homéopathie de l’institut electro-homéopathique de Genève, Août 1894“ finden wir einen hierher gehörigen Artikel des Herausgebers A. Sauter, welcher Hohenheim als Vorläufer Hahnemanns, der Naturheilmethode und der Elektrohomöopathie in Anspruch nimmt. Eine gelungene Nachbildung des Tintoretto’schen Bildes Hohenheims (nach der Genfer Folio-Ausgabe von 1658) ist beigegeben.[12] — Paracelsus als Parteigänger der östlichen Theosophie bildet das Thema eines „Gedenkblattes“ in den „Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde“, Band XXXIV, verfasst von dem eifrigen Apostel dieser Lehre, Franz Hartmann[13]. Ein Teil von Hohenheims mystischen Anschauungen soll mit denen des Sankararharya und anderer indischer Weisen des Altertums identisch sein; vornehmlich wird die indische Lehre von den sieben Principien auseinandergesetzt und durch Parallelstellen aus Hohenheims Schriften als auch bei ihm vorhanden nachzuweisen gesucht, wovon in Wahrheit nicht die Rede sein kann, wenn auch 3 Principien 4 Elemente die schöne Zahl 7 ergiebt.

Als wertvoller Beitrag zur Paracelsuskunde, gedruckt zur Zeit der Jahrhundertfeier im Dezember 1893, wäre noch zu nennen die „Bibliography of the Paracelsus. Library of the late E. Schubert, M. D., Frankfurt am Main“, welche als Auktionskatalog bei William Wesley & Son in London erschien; die wertvolle Bibliothek ist in den Besitz von Professor John Ferguson in Glasgow übergegangen, welcher in 5 Heften „Bibliographia Paracelsica“, Glasgow 1877 bis 1893 sich um die Verbesserung und Vervollständigung des bekannten Mook’schen Werkes grosse Verdienste erworben hat.

Des Neuen und Bedeutenden, das die Paracelsusfeier hervorgerufen hat, ist also nicht viel, aber das Andenken des grossen deutschen Mannes ist allenthalben in würdiger Weise unserem schnell vergessenden Zeitalter gegenüber lebendig gemacht worden; mehr soll man von einer solchen Feier auch nicht verlangen. Viele Stimmen sind zu Worte gekommen und als Ganzes genommen bilden sie einen schönen Zusammenklang zum Lobe des genialen Mannes.




  1. 1) Durch viermonatliche schwere Krankheit des Berichterstatters wurde diese Arbeit über Gebühr verzögert; sie sollte zum 17. Dez. 1894 erscheinen.
  2. 2) Ohne Quellenangabe etwas gekürzt im „Boten der Urschweiz“, Schwyz, 29. November 1893, wieder abgedruckt.
  3. 1) Vgl. das Luzerner „Vaterland“ vom 12. Dezember 1893, die „Züricher Post“ vom selben Tage, den „March-Boten“, Lachen den 13. Dez. und die Baseler „National-Zeitung“ vom gleichen Tage 1893.
  4. 2) Siehe „Tagblatt der Stadt St. Gallen“, 12. Dez. 1893; „Wynenthaler-Blatt“, Menziken 20. Dez. 1893; „Basler Nachrichten“, 13. Dez. 1893, Beilage (von J. M.); Basler „National-Zeitung“ vom 13. Dez. und „Sonntagsblatt“ derselben Nr. 51 vom 17. Dez. 1893 (C. Steinitz); „Neue ZüricherZeitung“, 10. Dez. 1893 1. Beilage (Dr. Joachim Sperber).
  5. 3) Zürich, Verlags-Magazin (J. Schabelitz) 1894. 86 S. 8°.
  6. 4) Vgl. dessen Poetical Works, London 1883, Vol. I. p. 45—205.
  7. 5) Kritiken in den „Baseler Nachrichten“ v. 17. Dez. 1. Beilage; in dem Feuilleton der Baseler „National-Zeitung“ vom selben Tage und vom 22. Dez. von Dr. Widmann nach dem Berner „Bund“; „Züricher Post“ vom 17. und St. Galler „Tagblatt“ vom 22. Dez. 1893.
  8. 1) Verlag von Benno Schwabe, Basel 1894, 70 S. 8°; besprochen in der Baseler National-Zeitung vom 22. Dezember 1893.
  9. 2) Abgedruckt in der „Linzer Tagespost“ 1893 Nr. 290—293 und 1894 Nr. 1—3.
  10. 1) Vgl. den Bericht des Freiherrn von Doblhoff im Berner „Bund“ vom 24. Dezember 1893 und den Festartikel nach Adolf Warneck im Feuilleton der „Salzburger Zeitung“ vom 16. u. 18. Dezember 1893.
  11. 2) Vgl. auch die Mitteilung Prof. Pischmanns in der „Neuen freien Pressé“ vom 23. Nov. 1893.
  12. 1) Ein Kurhaus, welches derselben Gesellschaft für Electrohomöopathie angehört, in der Nähe Genfs gelegen, führt den Namen „Villa Paracelsia“.
  13. 2) Gesondert erschienen unter dem Titel „Theophrastus Paracelsus als Mystiker“, Leipzig, Wilhelm Friedrich 1894, 55 S. 8° mit einer Nachbildung des A. Dürer zugeschriebenen Paracelsusbildnisses in Lichtdruck.