Texte/Sudhoff/Hohenheim's deutsche Vorlesungen (1892)

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Karl Sudhoff

Hohenheim’s deutsche Vorlesungen (1892)

Sudhoff, Karl (1853–1938): Hohenheim´s deutsche Vorlesungen. In: Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des allgemeinen deutschen Sprachvereins, Nr. III (1892), S. 142–144.


[p. ] Mit Recht hat J. E. Wackernell in diesen Heften (S. 51) auf Theophrastus Bombast von Hohenheim (Paracelsus) als Verfechter [p. ] des deutschen Gedankens in Gelehrtenkreisen hingewiesen; denn zweifellos ist er der Erste gewesen, der in vollem Bewusstsein der Tragweite seines Schrittes auf einer deutschen Hochschule die deutsche Muttersprache in Lehrvorträgen zu Worte kommen liess. Einem schwäbischen Adelsgeschlechte entsprossen, im schweizerischen Einsiedeln geboren, hat dieser echte deutsche Mann, „dieser deutsche Philosophus und Medicus umb deutscher Nation ehr willen keine mühe und fleiss gesparet, in derselbigen spräche seine vornembste scripta gestellet, damit die von frembden nationen nicht verdrucket, sonder bei den deutschen blieben,“ wie der Neisser Gelehrte Marcus Ambrosius 1566 schreibt. Von seiner kerndeutschen Gesinnung hat Hohenheim nirgends ein Hehl gemacht. Wieviel Anfechtung hat gerade er in Gelehrtenkreisen erdulden müssen, wie er selbst sagt, „weil ich deutsch bin.“ Mit stolzer Betonung schreibt er ein andermal: „ich bin ein Deutscher, nicht ein Wälscher!“ Gerade der Gegensatz des Deutschthums zu dem wälschen Wesen war ihm allezeit gegenwärtig, wie das seine politischen Schriften (als solche fasse ich einen Theil seiner Prognosticationen auf, seine Erklärungen zum Liechtenberger und in mancherlei Betracht auch seine Auslegung der Nürnberger Papstbilder) zu klarem Ausdruck bringen. Sind doch seine Worte über die Franzosen zur Zeit der Pariser Schreckensherrschaft (1793) als Flugblatt nochmals in Deutschland verbreitet worden! Hohenheim hätte wohl einmal vom vaterländischen Gesichtspunkte aus eine erschöpfende Darlegung verdient. Jedenfalls gebührt ihm als eifrigem Vorkämpfer deutschen Wesens im Sturm und Drang des Reformations-Zeitalters nicht der letzte Platz, und darum sei auch in diesen Blättern noch einmal besonders auf ihn hingewiesen.

In diesem Sinne sind seine deutschen Vorlesungen an der Hochschule zu Basel (Ende 1526 bis Anfang 1528) eine muthige That, die zwar nicht ganz ohne schüchterne Vorläufer war,[1] aber ohne dass er darum wusste. Ich habe mich hierüber schon mehrfach in der Beilage zur „Allgemeinen Zeitung“ und anderwärts geäussert, muss hier aber Wackernell gegenüber berichtigend bemerken, dass Hohenheim seine Vorlesungen nicht deutsch angekündigt hat, sondern sein uns noch erhaltenes Programm in lateinischer Sprache in die Welt gehen liess; gewiss nur, weil er in der Sprache der Gelehrten, die er völlig beherrschte, sicherer war, gehört und gelesen zu werden. Wie ein Posaunenstoss hallt diese Ankündigung in die lateinische Gelehrtenwelt hinaus, die Ziele seines unermüdlichen Schaffens in markigen Worten ent- [p. ] hüllend; dass er vor tauben Ohren ertönte, war nicht die Schuld des Rufers vom Thurme.

Bis auf Christian Thomas hat Hohenheim keinen Nachfolger auf dem Lehrstuhle gefunden, aber auch mit seinen deutschen Schriften hat er sich kein geringes Verdienst um die Einführung der heimathlichen Laute in die Wissenschaft erworben und Nachahmung gefunden. Ihm eignet ein kerniger deutscher Stil, der von den Sprachgelehrten noch nicht genügend gewürdigt wird. Ganz ungerecht ist der Tadel, welchen C. F. Meyer in „Huttens letzten Tagen“ ausspricht, dass Hohenheim das „liebe Deutsch nicht rein spreche und so garstige fremde Brocken einmische“, wenn auch eine oberflächliche Betrachtung seiner Schriften diesem Ausspruch recht zu geben scheint. Es war auch Hohenheim’s liebes Deutsch, in dem er schrieb, das ihm wie sein Vaterland ans Herz gewachsen war.

Ehrend erwähnen möchte ich hier auch einen andern Arzt alemannischen Blutes, Lorenz Fries von Kolmar, dessen „Spiegel der Arznei“ die erste volkstümliche Darstellung der ärztlichen Gelehrsamkeit in deutscher Sprache bildet und viele Auflagen von 1518 ab erlebte. In der Vorrede zur Ausgabe letzter Hand (1532) drückt Fries seine Absicht folgendermassen aus: „Auch bedunckt mich Teütsche zung nit minder würdig, das alle ding darin beschriben werden, dann Griechisch, Hebreisch, Latinisch, Italianisch, Hispanisch, Frantzösisch, in welchen man doch gar bey alle ding vertolmetschet findet. Solt unser sprach minder sein? neyn, ja wol vil meer, Ursach das sy ein ursprüngliche sprach ist, nit zusamen gebetlet, von Griechisch. Lateinisch, den Hunen und Gothen, als Frantzösisch, auch meer reguliert.“ — Gut gemeinte Worte, wenn uns auch seine auf der Hochschule zu Montpellier erworbene Beurtheilung des Französischen ein Lächeln entlocken muss.




  1. *) Vergl. R. Hodermann, Universitätsvorlesungen in deutscher Sprache um die Wende des 17. Jahrhunderts. 1891.